Nachhaltigkeit ist kein Begriff, der sexy klingt. Es ist ein schwer greifbares Wort, das in Mode ist und überall auftaucht, wo man einen grünen Anstrich braucht. Doch wie lässt sich dieser schwammige Begriff mit Leben füllen? Und wie kann Nachhaltigkeit sogar Spaß machen?
„Darüber freut sich bestimmt noch ein anderes Kind“, sagt der zehnjährige Ferdinand und legt das Magnetspiel in die Kiste zum Verschenken. Es ist ein Spiel, mit dem er genau einmal gespielt hat. „Und das hier will ich auch verschenken.“ Ein zusammenbaubares Forschungsschiff, das er sich einst sehnsüchtig vom Weihnachtsmann gewünscht hatte.
Vielleicht wird bald ein anderes Kind damit spielen. Vielleicht wird auch dieses Kind mit der Selbstverständlichkeit aufwachsen, dass man Spielsachen nicht wegwerfen muss, sondern weitergeben kann. Und vielleicht wird Energie eingespart, weil irgendwo in Asien eines dieser Spielschiffe weniger produziert und mit einem großen Containerschiff importiert werden muss… Zugegeben, das ist ziemlich kurz gedacht, aber ganz abwegig auch nicht. Denn Nachhaltigkeit scheint die Lebensaufgabe unserer Generation zu sein.
Aber was ist das überhaupt – Nachhaltigkeit? Ein Begriff, der inflationär genutzt wird und überall dort auftaucht, wo ein grüner Anstrich gebraucht wird: für Lebensmittel, Mode, Möbelstücke und sogar für Parteiprogramme. Doch wo Nachhaltigkeit draufsteht, ist nicht unbedingt Nachhaltigkeit drin.
Der Begriff Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft im 18. Jahrhundert: Er besagt, dass man aus einem Wald nicht mehr Holz schlagen darf als nachwächst. In den achtziger Jahren wurde das Schlagwort erweitert: Eine nachhaltige Entwicklung wurde so definiert, dass sie den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden. Nachhaltigkeit meint, beim Verbrauch von Ressourcen nicht nur an sich selbst, sondern auch an nachfolgende Generationen zu denken.
Mehr als Umwelt und Klimaschutz
Dabei geht Nachhaltigkeit weit über Umwelt und Klimaschutz hinaus. Sie kann nicht ohne soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Verantwortung gedacht werden. Reicht es, wenn wir Kinderspielzeug weiterverschenken? Klopapier aus recyceltem Material kaufen? Wenn wir im Winter auf Erdbeeren verzichten? Und mit dem Wohnmobil in den Urlaub fahren, statt mit dem Flugzeug zu fliegen?
Wie können wir unseren Kindern beibringen, so zu leben, dass sie die Natur schützen, sozial und verantwortungsbewusst handeln? „Erstmal geht es darum, ein Bewusstsein für die Herausforderungen der heutigen Welt zu schaffen und zu verstehen, wie wir aktiv an deren Lösung mitwirken können“, sagt Jeanette Braun vom Fachdienst Bildung und Kultur des Landkreises Lüneburg. Der Landkreis hat sich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, kurz: BNE, auf die Fahnen geschrieben. Er entwickelt, bündelt und vernetzt Ideen, die dazu beitragen, ins nachhaltige Handeln zu kommen. „Wir möchten Kinder, Jugendliche und Erwachsene ermutigen, kritisch zu denken und sie befähigen, verantwortungsbewusst für aktuelle und zukünftige Generationen zu handeln. Wir möchten sie dabei unterstützen, Lösungen zu finden“, so Jeanette Braun.
Ein Beispiel dafür ist die Idee des Landkreises, gemeinsam mit Schülerfirmen Saatkugeln in ausgedienten Kaugummiautomaten anzubieten – ein wertvoller Beitrag zur Artenvielfalt und zur Erhaltung der Wildbienen. Was wiederum zur Erhaltung unseres eigenen Lebensraumes beiträgt, der ohne die Bestäubung von Obstbäumen durch Insekten elend aussähe.
Oft merken wir nicht einmal, wie wir selbst zur Ausbeutung von Natur und Menschen beitragen. Denn die Zusammenhänge zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialer Gerechtigkeit sind komplex. Wir kaufen bei großen Internetanbietern ein und jammern darüber, dass die kleinen Läden in der Nachbarschaft schließen. Oder wir freuen uns über Mode-Schnäppchen und wundern uns, dass die Kleidung schnell wieder kaputt geht. Wir hinterfragen nicht, wie klimaschädlich und sozial ungerecht „Fast Fashion“-Wegwerfmode von Billiganbietern ist.
Recht auf Reparatur
Jeder kennt das auch von Elektrogeräten: Waschmaschine oder Haartrockner gehen oft schon nach wenigen Jahren kaputt. Ersatzteile sind entweder gar nicht oder nur für viel Geld und nach mehreren Wochen Wartezeit zu haben. Da bleibt dann oft nur der Neukauf, woran die Händler kräftig verdienen. Das könnte sich jedoch in Zukunft ändern. Denn um Müllberge zu reduzieren, hat die EU das Recht auf Reparatur geschaffen: Hersteller werden künftig verpflichtet, darauf zu achten, dass die Produkte reparaturfreundlich sind. Und die neuen Regeln machen es auch Tüftlern leichter, selbst wieder ein Produkt zu reparieren.
Die Politik steht in der Pflicht, die Gesellschaft so zu gestalten, dass es einfacher wird, nachhaltiger zu leben. Gleichzeitig muss jeder selbst schauen, welche Maßnahmen realistisch umsetzbar sind. Es ist aber auch kein Hexenwerk. Denn es gibt viele Möglichkeiten, das eigene Leben nachhaltiger zu gestalten. (AH)
TIPPS
Für mehr Nachhaltigkeit im Alltag
- Ausgediente Kleider, Spielsachen und andere Dinge verschenken oder weiterverkaufen statt wegwerfen.
- Mal kurz darüber nachdenken, wo Produkte herkommen und wie sie produziert wurden (Äpfel aus Neuseeland vs. Äpfel aus Niedersachsen)
- Saisonale und regionale Lebensmittel einkaufen
- Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen
- Einen Flohmarkt oder eine Kleidertauschparty organisieren
- Kaputte Kleider zur Reparatur bringen oder selbst reparieren (Repair-Cafés)
Foto: Ragna Naujoks