Johannes Link arbeitet ehrenamtlich als Bildungspate an der Grundschule
In seinem Berufsleben war Johannes Link Pastor, hatte viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Deshalb lag es für ihn nahe, sich im Ruhestand ein Ehrenamt mit Kindern zu suchen. Der 67-Jährige ist seit anderthalb Jahren als Bildungspate an einer Lüneburger Grundschule tätig.
Johannes Link lebt noch gar nicht lange in der Stadt Lüneburg. Der gebürtige Stuttgarter, der 1990 durch seine Frau in den Norden kam, war ab 2007 Pastor in Scharnebeck, wo er bis 2023 im Pastorat lebte. Mit Eintritt in den Ruhestand zog er mit seiner Frau in die Hansestadt Lüneburg. Seine Frau ist noch berufstätig, und so war es für ihn nahezu selbstverständlich, sich als Beschäftigung ein Ehrenamt zu suchen. „Warum soll ich zu Hause rumsitzen?”, fragte er sich. Als Bildungspate hat er eine Tätigkeit gefunden, die ihn ausfüllt und Sinn stiftet.
Das Bildungspat*innen-Projekt (BiPa) der AWO Lüneburg setzt sich seit 2012 für Schülerinnen und Schüler ein, die in der Schule zusätzliche Unterstützung benötigen. Die Bildungspatinnen und -paten sollen den Kindern helfen, Talente zu entdecken und Potenziale zu entfalten. Im Mittelpunkt steht die persönliche Förderung, wobei die Patinnen und Paten individuell mit den Kindern arbeiten und gezielt ihre Stärken und die schulische Motivation fördern.
Hilfe beim Lesen und Rechnen
Johannes Link, der von den Bildungspaten gelesen hatte, rief als frisch gebackener Ruheständler bei der Grundschule Anne-Frank-Schule in Kaltenmoor an, um seine Hilfe bei den Bildungspaten anzubieten. Diese verwies ihn auf die AWO, die das Projekt begleitet. Noch vor der Corona-Pandemie engagierten sich in Lüneburg mehr als hundert Patinnen und Paten, und auch während der Pandemie wurden kreative Lösungen wie digitale Angebote und Telefon-Lernstunden gefunden, um die Verbindung zu den Kindern zu halten. Dank der Unterstützung des AWO Regionalverbandes Lüneburg/Uelzen/Lüchow-Dannenberg ist das Projekt seit 2022 nun wieder gewachsen, so dass in der Stadt Lüneburg und einigen wenigen Schulen im Landkreis 34 Bildungspatinnen und -paten aktiv sind, die jede Woche mehr als 600 Stunden ehrenamtlich mit den Kindern arbeiten.
Seit Mai 2023 ist Johannes Link Bildungspate an der Anne-Frank-Schule, an der noch sechs weitere Bildungspatinnen und -paten beschäftigt sind. An drei Tagen in der Woche ist der 67-Jährige derzeit neun Stunden an der Schule, an der er für bestimmte Klassen zuständig ist. Der Ablauf ist dann so: „Ich komme mit in die Klasse, und die Lehrerin oder der Lehrer entscheidet, mit welchen Kindern ich ein Extra-Programm machen soll”, erklärt Link. „Es sind in der Regel Kinder, die dem Stoff nicht so ganz folgen können, meist geht es um Rechnen und Lesen.” Der Bildungspate lässt sich dann mit einem oder mehreren Kindern in einem Schulflur nieder, der mit Tischen und Stühlen ausgestattet ist. „Die Kinder sind sehr vital und oft unruhig”, so seine Beobachtung, „deshalb nehme ich nicht mehr als drei Kinder mit.”
Dass ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Schule einen Migrationshintergrund hat, komme beim Lernen manchmal erschwerend hinzu. „In einer Klasse gibt es jeden Morgen einen Morgengruß aus einem anderen Land. Doch bei gut zehn Sprachen bleibt bei mir nicht mehr so viel haften – ich versuche wenigstens, mir die Namen der Kinder zu merken und kann schon viele.”
Lernen in entspannter Atmosphäre
Er lerne in entspannter Atmosphäre mit einer Kerngruppe, die er regelmäßig wieder sehe, erzählt Link. Über die Zeit Lernerfolge bei den Schülerinnen und Schülern festzustellen, beglückt den Ehrenamtlichen, der ruhig und geduldig auf die Kinder zugeht. An seine eigene Grundschulzeit im Schwarzwald hat er, was den Umgang angeht, ganz andere Erinnerungen: „Ich hatte selbst großen Schiss vor meinen Lehrern, es gab dann und wann sogar auf den Hintern.” Vor den aktuellen Lehrkräften an der Anne-Frank-Schule, die so viele Bedürfnisse und Befindlichkeiten unter einen Hut bekommen müssen, hat der 67-Jährige großen Respekt. „Die Kinder sind so quirlig, und als Lehrerin ist man halb Mutti und halb Polizistin”, meint er. „Die Schule macht das toll und ist sehr wichtig für die Kinder.”
An der Anne-Frank-Schule wird immer Unterstützung benötigt, weshalb hier zahlreiche Ehrenamtliche tätig sind. Und so geht das Ehrenamt von Johannes Link so manches Mal über die Lernförderung als Bildungspate hinaus. „Ich sehe mich als Gehilfe der Klassenlehrerin. Ich helfe auch bei kleinen Aufgaben”, erzählt er. So habe er auch schon bei der Betreuung der Fahrradprüfungen mitgeholfen oder eine Klasse zum Weihnachtsmärchen in Hamburg begleitet.
Bildungspatinnen und -paten müssen keine spezielle Ausbildung mitbringen, und auch Johannes Link ist nicht schulpädagogisch ausgebildet. „Meine Erfahrung als Pastor hat für das Ehrenamt ausgereicht”, erklärt er. Dass er als Bildungspate die Kinder nicht bewerten muss und auch mit Elternarbeit nichts zu tun hat, sieht der Ruheständler durchaus als Vorteil. Er hält bei Bedarf vor und nach der Lernstunde kurz Rücksprache mit der jeweiligen Lehrkraft – inhaltlich, aber auch zu den Fortschritten einzelner Schüler. Einen Dank erhält er von den Lehrerinnen und Lehrern nach jeder Stunde – für sie seien die Bildungspaten eine große Hilfe, so die häufige Rückmeldung.
Gern gesehener Gast
In den Grundschulklassen, die Johannes Link jede Woche besucht, ist er ein gern gesehener Gast. „Sie sehen mich als Opa und fliegen einem um die Knie”, berichtet er. „Manche Lehrerinnen fragen die Klasse: Wer will mit Herrn Link rausgehen? Dann gehen viele Hände hoch.” Er beschäftigt sich gerne mit den Kindern, die er wie wilde Hummeln wahrnimmt. „Man muss die Kinder mögen und einen Blick für sie haben”, meint er. „Es ist ein wichtiges Ziel, dass sie Lust haben, zur Schule zu gehen.” Zu der mitunter fehlenden Motivation komme oft eine sehr kurze Konzentrationsspanne hinzu, so seine Beobachtung. Und so hat er sich für einige Schüler als Belohnung überlegt, dass sie den Schulflur ausnahmsweise einmal hin und zurück rennen dürfen, wenn sie eine Aufgabe gelöst haben – ein Spiel, das gut ankommt. Denn Bequemlichkeit oder eine fehlende Bereitschaft, sich zu bewegen hat er bei den Grundschülerinnen und -schülern noch nicht wahrgenommen. „Und wenn gar nichts mehr geht, dann gingen wir auch schon mal raus zum Schaukeln.”
Neben der Rücksprache mit den Lehrerinnen und Lehrern erhalten die Bildungspatinnen und -paten auch Unterstützung durch den AWO Regionalverband: So gibt es monatliche Treffen zum Austauschen, und Fachvorträge geben Einblicke in Themen rund um Kinder und Lernen. Alle Bildungspatinnen und -paten in Lüneburg haben als feste Ansprechpartnerin Katja Wojanowski, Projektkoordinatorin und für die Verbandsarbeit des Regionalverbandes zuständig. Der Großteil der Bildungspatinnen und -paten sei wie Johannes Link im Ruhestand, berichtet sie, doch es würden immer mehr Teilzeitbeschäfchäftigte und Studierende hinzukommen, die sich für das Ehrenamt interessieren.
Johannes Link, der drei erwachsene Söhne und ein fünfjähriges Enkelkind in Süddeutschland hat, kann sich gut vorstellen, das Ehrenamt als Bildungspate noch einige Jahre weiterzumachen. „Ich gehöre als kleines Licht zum Schulalltag und bekomme viel aus dem Alltag mit. Mir macht’s großen Spaß, und ich hab jetzt noch kein größeres Altersprogramm”, sagt er. (JVE)
- Wer sich für das Ehrenamt als Bildungspate oder -patin der AWO Lüneburg interessiert, kann sich an Projektkoordinatorin Katja Wojanowski wenden unter Tel. (0 41 31) 75 96-29 oder 01512 – 208 64 83 oder per E-Mail an wojanowski@awo-lueneburg.de
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