Was die Richtlinien und Siegel über Bio und Öko besagen  

Früher wurde alles biologisch angebaut. Mit wachsender Bevölkerung mussten sich die Landwirte etwas einfallen lassen, um mehr zu produzieren. Sie griffen mehr und mehr zu Düngemitteln und wehrten sich chemisch gegen Schädlinge. Gut für die Verbraucher: Dadurch gab es mehr Lebensmittel und die Preise wurden günstiger.

Die Hippies in den siebziger Jahren brachten das Bewusstsein für naturbelassene Lebensmittel zurück. Bioprodukte wurden immer beliebter, viele Landwirte bauen seitdem wieder ökologisch an und verarbeiten ihre Rohstoffe zu eigenen Produkten, die sie dann in ihren Hofläden oder in regionalen Biomärkten verkaufen. Um klar zu definieren und zu kennzeichnen, was „Bio“ oder „Öko“ ist, wurden die Begriffe geschützt. In der EG-Öko-Verordnung wurden Richtlinien festgelegt. Produkte, die nach diesen Richtlinien in der EU erzeugt werden, bekommen seit 2010 das EU-Biosiegel. Das heißt zum Beispiel, dass sie zu 95 Prozent aus Bio-Produktion bestehen und Tiere artgerecht gehalten werden. Das deutsche Biosiegel kann zusätzlich freiwillig abgebildet werden.

Paradoxe Bestimmungen

Gemäß der Verordnung ist es für Landwirte möglich, den Betrieb teilweise auf ökologischen Landbau umzustellen. Vom selben Bauern können Verbraucher Kartoffeln in Bio-Qualität kaufen, während der Spargel mit Pestiziden bearbeitet wurde. Häufig wird Bio-Gemüse in umweltbelastendes Plastik verpackt, denn zur Verpackung gibt es keine Regelung. Ebenfalls wird das Beheizen von Gewächshäusern nicht einschränkt oder verboten. Nur 95 Prozent der Zutaten müssen aus ökologischer Herkunft sein. 56 Zusatzstoffe sind zugelassen. Das stark umstrittene Verdickungsmittel Carrageen, das in Verdacht steht, krebserregend zu sein, ist zum Beispiel erlaubt. Gerade einmal die Hälfte des Bodens im Stall muss geschlossen sein. Auf der anderen Hälfte leben die Tiere weiterhin auf Gitterkonstruktionen, auf denen sie sich verletzen können. Eigentlich ist es nicht erlaubt, Rindern die Hörner abzunehmen, Hühnern die Schnäbel zu kürzen oder Körperteile zu kupieren. Doch wer einen Antrag stellt, kann von der Regelung ausgenommen werden. In einem Stall dürfen auf jeweils einem Quadratmeter sechs Legehennen leben. In Deutschland sind laut Tierschutzgesetz Kuhtrainer verboten, die der Kuh Stromschläge verpassen, wenn sie an ungewünschter Stelle kotet. In der EG-Ökoverordnung wurde darüber nichts geregelt. Somit könnten Tiere, die im Ausland gezüchtet wurden, dieser Quälerei ausgesetzt worden sein. Trotzdem erhält das Produkt das Biosiegel.

Standard reicht nicht

Zu den staatlichen Logos gibt es Verbandssiegel. Für die angeschlossenen Vereine und Verbände ist die EG-Öko-Verordnung ein Mindestmaß für Bioprodukte. Sie fordern unter anderem von ihren Landwirten, sich komplett für den biologischen Anbau zu entscheiden und nicht gleichzeitig konventionell zu produzieren.

Das sind die wichtigsten Siegel und wesentliche Punkte, die den Unterschied machen:  

Bioland

Der gesamte Betrieb muss zu 100 Prozent nach den Bioland-Richtlinien arbeiten. Pro Hektar sind 140 statt 230 Legehennen, 280 statt 580 Hähnchen und zehn statt 14 Mastschweine erlaubt. Im Sommerhalbjahr muss frisches Grünfutter angeboten werden, in der Regel über den Weidegang. Auch auf die Art der Verpackung wird geachtet. Hier gibt es individuelle Regelungen. Beispielsweise ist der Einsatz von Aluminium am Flaschenhals von Bierflaschen verboten.

Demeter

Die Tiere bekommen zu 100 Prozent Bio-Futter. Mindestens 70 Prozent der Zutaten müssen in Demeter-Qualität sein und mindestens 50 Prozent müssen vom eigenen Hof oder aus einer Betriebskooperation stammen. Kühe dürfen nicht enthornt werden und der Verband verbietet die Züchtung von auf Hornlosigkeit gezüchteten Tieren. Eigene Sorten und Züchtungsarbeit in den Bereichen Getreide, Gemüse, Rinder und Geflügel sind erlaubt. Nur unverzichtbare Zusatzstoffe und Hilfsmittel werden verwendet. Zum Beispiel werden mechanische Schneckenfallen aufgestellt oder ätherische Öle auf Tieren angewendet, um Schädlinge in den Stallungen zu bekämpfen.

Das Bio-Land expandiert

Niedersachsen knackt den Rekord mit 200 neuen Bio-Betrieben in 2021 – ein echter Sprung nach vorn, verglichen mit den Vorjahren, als sich 100 bis 160 Betriebe pro Jahr ökozertifizieren ließen. Carolin Grieshop, Geschäftsführerin vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen sagt: „Zu den Neuen gehören viele Betriebe mit Grünland und Ackerbau.“ Das zeigt, wo der Schuh drückt: Während Ackerbau und Grünlandflächen leichter auf Bio umstellbar sind, hakt es bei der Tierhaltung. An der Nachfrage liege es nicht. „Der Markt fragt Bio-Fleisch nach. Ein Grund sind die Stallbaugenehmigungsverfahren, die zu kompliziert sind und zu lange dauern“, so Carolin Grieshop. Hinzu kommt, dass die 2,7 Millionen niedersächsischen Bio-Hühner fast komplett von Importen abhängen. 91 Prozent des Sojas und 97 Prozent der Sonnenblumen müssen importiert werden. Der Bedarf ist da, aber das Klima spielt nicht mit, so dass die größten Mengen aus Osteuropa kommen, wo das Klima günstiger für den Anbau ist. Dennoch experimentieren die Bio-Landwirte mit den Sorten, um weniger zukaufen zu müssen. 2022 stieg die Bio-Weizenanbaufläche in Niedersachsen um 60 Prozent und die der Bio-Sommergerste sogar um 78 Prozent. Verringert hat sich 2022 die Anbaufläche für Bio-Gemüse, minus elf Prozent, und Erdbeeren, minus 23 Prozent.

Wie schaut es in der Region Lüneburg aus?

Nach dem Blick auf den Boom im niedersächsischen Ökolandbau zoomt der Blick nun auf Lüneburg, wo die Statistiken persönliche Geschichten von Umstellung und Innovation erzählen. In der Region zeigt sich ein deutliches Engagement für die Bio-Landwirtschaft, erkennbar an den 91 biozertifizierten Betrieben. Aaron Jaschok, stellvertretender Geschäftsführer des Bauernverbandes Nordostniedersachsen, fasst die Situation präzise zusammen: „Der Schlüssel zur Förderung der Bio-Zertifizierung liegt im Verbraucherverhalten. In Großstädten wie Hamburg ist die Zahlungsbereitschaft für Bio-Lebensmittel höher, was den Landwirten einen Anreiz bietet. Im ländlichen Bereich müssen wir jedoch die Bereitschaft, mehr für Bio-Produkte auszugeben, noch stärken, indem wir das Bewusstsein dafür schaffen, dass der Produktionsprozess in der Bio-Landwirtschaft kos­tenintensiver ist und geringeren Erträgen beziehungsweise einer längeren Produktionsdauer gegenübersteht. Dies macht höhere Preise auf Verbraucherseite erforderlich, um langfristige Anreize für eine Umstellung zu geben.“  In Lüneburg und darüber hinaus zeichnet sich ein klarer Trend ab: Nachhaltigkeit gewinnt an Boden, unterstützt durch die Entscheidungen und das Bewusstsein jedes Einzelnen. Die Zukunft der Bio-Landwirtschaft hängt sowohl von den Landwirten als auch von den Konsumenten ab, die gemeinsam den Weg für eine umweltbewusstere und nachhaltigere Agrarwirtschaft ebnen. (AW)

Foto: Demeter

Wieviel Bio ist wirklich drin?
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