Die Seelsorgerinnen Doris Paland und Annette Köster wollen Menschen an öffentlichen Orten in Lüneburg erreichen

Seelsorge muss nicht an einen speziellen Raum wie eine Kirche gebunden sein. Im Rahmen des Projektes „Ansprech:bar” des Kirchenkreises Lüneburg sind sechs evangelische Seelsorgerinnen und Seelsorger an öffentlichen Orten wie Parks und Plätzen anzutreffen. Zwei von ihnen sind die Diakoninnen und Klinikseelsorgerinnen Doris Paland und Annette Köster.

Annette Köster (59) aus der Samtgemeinde Amelinghausen und Doris Paland (64) aus Lüneburg arbeiten seit knapp zwei Jahren zusammen in der Klinikseelsorge am Städtischen Klinikum Lüneburg. Befähigt hat sie dazu nicht nur ihre Diakoninnen-Ausbildung, sondern auch eine Zusatzausbildung für die Klinikseelsorge. „Die Zusatzausbildung in Klinikseelsorge besteht aus sechs fünftägigen Seminaren”, erklärt Annette Köster. Die Besonderheit der Klinikseelsorge bestehe darin, dass die Seelsorgerinnen auf Wunsch oder Anregung von Patienten oder Mitarbeitenden der Klinik für ein Gespräch kommen würden. „Wir gehen aber auch so durchs Haus und fragen, ob das Bedürfnis nach einem Gespräch besteht. Wenn jemand nein sagt, ist das auch vollkommen in Ordnung”, erklärt Annette Köster. Die Themen der Gespräche seien ortsbedingt hauptsächlich Krankheit, das Verarbeiten einer schweren Diagnose und die ungewisse Zukunft der Patienten. Mit dem Projekt Ansprech:bar gehen die Seelsorgerinnen nun auch andere Wege. Die Idee entstand vor einem Jahr in der evangelischen Seelsorge-Gruppe der Kirchenkreiskonferenz, der Pastorinnen und Pastoren sowie Diakoninnen angehören. „Die Idee ist, dass wir die Seelsorge mehr an die Menschen heranbringen wollen”, erklärt Doris Paland. „Im Klinikum ist es relativ einfach, in Kontakt zu kommen, weil wir gebeten werden und die Menschen aufsuchen. Doch in den Kirchengemeinden ist die Schwelle ziemlich hoch. Man würde nicht unbedingt zum Pastor gehen, wenn einem etwas auf dem Herzen liegt.” Inspiration gab der Seelsorge-Gruppe auch das Hamburger Projekt „Zuhör-Kiosk” am U-Bahn hof Emilienstraße, bei dem Ehrenamtliche Menschen ihr Ohr leihen, um ihnen zuzuhören, was auch immer ihnen auf dem Herzen liegt. „Außerdem gab es einen Fernsehbericht über einen Pastor, der mit einem Kaffeemobil an verschiedene Orte gefahren ist, um den Menschen zuzuhören”, so Doris Paland. „Das alles hat uns inspiriert. Wir haben überlegt, was können wir anbieten, um Menschen an Plätzen zu erreichen, die nicht so mit der Kirche verbunden sind?”

Mit Zeit, Ohr und Herz

Die Seelsorgerinnen und Seelsorger – neben Annette Köster und Doris Paland außerdem Pastor Michael Thon, Diakonin Ilka Tatge, Pastorin Kerstin Herrschaft und Pastorin Susanne Mohr-Link – wollen mit ihrem Projekt Ansprech:bar signalisieren, dass sie auch im Alltag der Menschen ein offenes Ohr haben. „Mit Zeit, Ohr und Herz” lautet der Slogan, der auf ihrer eigens für das Projekt erstellten Beachflag zu lesen ist. „Von Klönen bis Sorgen zur Sprache bringen ist alles möglich”, erklärt Doris Paland, die mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Herbst 2023 das Projekt gestartet hat. Erkennbar sind die Seelsorgerinnen und Seelsorger von Ansprech:bar, die immer alleine unterwegs sind, nicht nur an der Beachflag, sondern auch an einer strahlend blauen Sitzauflage für Bänke. Da die Gespräche von April bis Oktober wieder im Freien stattfinden sollen, haben sie auch Heißgetränke wie Tee und Kaffee im Gepäck. Ab Ostern sind die Seelsorgerinnen und Seelsorger einmal pro Woche nachmittags für bis zu zwei Stunden – je nach verfügbarer Zeit und Wetterlage – an wöchentlich wechselnden Orten im Lüneburger Stadtgebiet anzutreffen. Dazu gehören der Bahnhofsvorplatz, der Kurpark, der Thorner Platz, die St.-Stephanus-Passage und Friedhöfe. Die Seelsorgerinnen bauen auf Zufallsgespräche, einen Dienst- oder Ablaufplan gibt es nicht. „Wir haben uns für Spontanität entschieden, das soll auch so bleiben”, erklärt Annette Köster.

Gestartet wurde das Projekt Ansprech:bar ab Ende September im Lüneburger Kurpark und auf dem St.-Stephanus-Platz in Kaltenmoor. Der Regen und schlechtes Wetter machten den Seelsorgerinnen im Oktober jedoch schnell einen Strich durch die Rechnung, so dass die Ansprech:bar in der kalten Jahreszeit doch wieder in Kirchen zog und in der Vesperkirche in der St.-Michaelis-Kirche sowie in der St. Johanniskirche zu finden war. Die Erfahrungen draußen waren jedoch für die Seelsorgerinnen sinnstiftender als in den Kirchen. „Wir waren einmal wöchentlich in St. Johannis, aber das wurde nicht so gut angenommen”, erklärt Doris Paland. „Die Menschen haben aus anderen Gründen die Kirche aufgesucht.” Annette Köster, die vor allem in der Vesperkirche einige zufällige Gespräche hatte, erinnert sich aber auch an eine eindrucksvolle Unterhaltung in St. Johannis. Sie vermutet: „Es fällt Menschen leichter, sich einem unbekannten Gegenüber zu öffnen.“ 

Themen kommen von alleine

Auch wenn die Ansprech:bar-Zeit im Freien bisher eher kurz war, blicken die Seelsorgerinnen hier auf gute Gespräche zurück. Ob nur für ein paar Minuten oder eine Dreiviertelstunde spiele keine Rolle, denn ein Gespräch könne schnell in die Tiefe gehen, betont Doris Paland. Bei ihren Zufallsbegegnungen mit den Menschen geht es nicht um Ratschläge oder Lebenshilfe, sondern einfach um ein offenes Ohr –Zuhören und ernst nehmen ist die Devise der Seelsorge. Die Themen kommen ganz von alleine. „Ich sage in der Regel: Ich bin jetzt hier und hätte Zeit für Sie. Meistens erzählen die Menschen einfach ihre Lebensgeschichte”, so Annette Köster. Dass die Seelsorgerinnen nicht dazu da sind, gute Ratschläge zu geben, hätte auch schon den einen oder anderen verwundert, erzählt sie: „Mich hat nach einem Gespräch mal jemand gefragt: Wie, und das war’s jetzt? Sie wollen mich ja zu gar nichts überreden, und Sie lassen mich einfach so gehen? Das finde ich gut.” Dass sie als Seelsorgerinnen einfach empathisch zuhören würden, seien viele Menschen nicht gewohnt, meint sie. Für Annette Köster, die neben der Seelsorge im Städtischen Klinikum auch die Seelsorge in der Psychiatrischen Klinik Lüneburg übernimmt, und ihre Kollegin Doris Paland ähnelt die Seelsorge an öffentlichen Orten der in der Klinik nur in manchen Teilen. „Sie ähnelt sich darin, dass ich als Seelsorgerin Zeit und Offenheit mitbringe, aber bei Ansprech:bar weiß ich nicht, was auf mich zukommt der Ausgang ist offener”, erklärt Doris Paland. Die Ansprech:bar ab April im Freien sehen Annette Köster und Doris Paland zunächst als Testphase. Da ihre Einsätze genauso spontan sind wie die Gespräche, könne auch niemand seinen Besuch bei ihnen im Voraus planen, so dass die Entwicklung des Projekts ungewiss sei. „Wir werden es einfach ein paar Monate ausprobieren und weiter daran feilen”, so Doris Paland. „In jedem Fall freuen wir uns auf überraschende Begegnungen.” (JVE)

 

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