Annkathrin Kaßner und Nico Ladewig machen eine Weltreise mit dem Rad Eine gemeinsame Weltreise war der Traum von Annkathrin und Nico, seit sie 2021 ein Paar wurden. Im Juni dieses Jahres haben sie nun ihren Traum in die Tat umgesetzt und sind in Lüneburg auf ihre große Reise um die Welt gestartet – mit dem Fahrrad und Zelt, Ende offen.

Anderthalb Jahre lebten Annkathrin Kaßner (26) und Nico Ladewig (32) in einer gemeinsamen Wohnung in Lüneburg. Beide gingen ihren Jobs nach, doch so richtig häuslich wollten sie nicht werden. „Wir haben die Wohnung von Anfang an spartanisch eingerichtet und keine teuren Anschaffungen gemacht”, erzählt Annkathrin. „Wir hatten immer im Blick, dass wir viel reisen wollen, aber die Art und Weise, wie wir reisen, war noch nicht klar.” Das Paar sparte an teuren Freizeitaktivitäten und Ausflügen und nutzte Foodsharing, um Geld zu sparen. Lange plante das Paar, wie so viele mit dem Rucksack, Flugzeug, Bus und Zug die Welt zu erkunden. „So haben wir uns das vorgestellt, das kann aber ganz schön was kosten”, erklärt Nico. „Außerdem überfliegen wir dann viele tolle Orte und verpassen sie.” Annkathrin ergänzt: „Das kann nicht der ideale Weg sein, so zu reisen – vor allem finanziell.” Über Radreisende auf YouTube und Tipps von Nicos Bruder kamen sie auf das Rad, machten 2022 ihre erste gemeinsame Radtour durch die Niederlande. Die beiden besuchten Communitytreffen von Radreisenden, vernetzten sich mit Gleichgesinnten. Und so stand vor einem Jahr für die Lüneburger fest: Es soll mit dem Fahrrad um die Welt gehen.

Route bis nach Asien

Im Laufe des vergangenen Winters nahm die Planung der Reise Form an. Ihre Möbel verkauften oder verschenkten sie, die Wohnung wurde gekündigt, ebenso die Jobs. Einige wenige Dokumente und Kleidungsstücke lagerten sie bei ihren Eltern ein. „Man glaubt gar nicht, wie viel man hat”, meint Nico rückblickend. „Wir hatten am Ende immer noch so viele Sachen übrig, dass wir vor der Reise etwas in Stress kamen.” Für die Reise hatten sie sich besondere Expeditionsfahrräder mit Stahlrahmen gekauft, mit denen es schließlich am 1. Juni in Lüneburg losging – im Regen. Nach einem Abstecher nach Varel in Friesland verließen die Radreisenden schließlich Deutschland über Enschede in Richtung Niederlande. Bereits an Tag drei und noch in Deutschland machte das Paar eine erste positive Erfahrung, als eine Autofahrerin an der Landstraße anhielt und den beiden an bot, in ihrem Garten zu übernachten. Da ihre Fahrräder schwer mit Taschen an Hinterrädern, Gepäckträger, Vorderrädern und Lenker bepackt sind, ist für Außenstehende sofort zu erkennen, dass ihre Reise kein Kurztrip ist. Ihre Route haben Annkathrin und Nico grob geplant, das Ende ist offen. Nach sechs Tagen in den Niederlanden folgten weitere sechs Tage in Belgien und sieben Tage in Luxemburg, bevor es weiter nach Frankreich ging, wo sie nun schon fast zwei Monate auf dem Rad unterwegs sind. Zunächst ging es hier nach Paris, wo sie eine Woche vor den Olympischen Spielen ankamen und durch Zufall die Feierlichkeiten zur Übergabe des Olympischen Feuers mit großem Feuerwerk und Drohnenshow erlebten. Nach ihrem Aufenthalt in Paris ging es weiter in Richtung Normandie mit dem berühmten Mont-Saint-Michel über die Bretagne an der Atlantikküste weiter in Richtung Süden bis Bordeaux. Genau 3.257 Kilometer hatten sie bis zum 11. September mit dem Rad zurückgelegt, als die stadtlichter mit Annkathrin und Nico am Telefon sprachen. Von Bordeaux soll es weiter in Richtung Süden über Spanien und Portugal bis nach Gibraltar gehen. „Im Winter wollen wir in einer wärmeren Region sein”, erklärt Annkathrin, „es ist noch nicht klar, ob wir vielleicht nach Marokko übersetzen.” Zurzeit würden sie nach einer Möglichkeit suchen, in Südeuropa einige Wochen Housesitting zu übernehmen – sollten sie jedoch nichts in der Art finden, gehe es nach Nordmarokko bis Marrakesch. Anfang 2025 wollen die beiden Radler in Andorra angekommen sein, dann über Südfrankreich und Monaco weiterfahren durch Italien, um von dort mit der Fähre nach Albanien oder Montenegro überzusetzen, um durch Griechenland im Sommer bis zur Türkei zu kommen. Doch das soll am liebsten noch lange nicht alles sein: Von der Türkei soll ihre Route weiter Richtung Osten durch Iran, Pakistan, Indien, Nepal, Bangladesch führen, weitere Traumziele sind Malaysia, Vietnam, Taiwan und Indonesien. „Australien und Neuseeland oder Südamerika wären auch irgendwie cool”, meint Nico. Aber niemand wisse jetzt, ob und wann das Geld oder bürokratische Hürden sie zur Umkehr zwingen würden.

Sparsame Lebensweise

Doch die beiden gehen nicht blauäugig an ihren Trip heran. Sie sparen an Kosten, wo sie können. Sie schlafen am liebsten im Zelt, bevorzugen je nach Möglichkeiten das Wildcampen, kochen sich ihr Essen bevorzugt selbst auf dem Gaskocher oder beschränken sich sogar auf Brot, um Gas zu sparen. Nico hat sich durchgerechnet, dass bei dieser Lebensweise sein Geld bis zum Frühsommer 2025 reicht. „Außerhalb Europas wird es günstiger”, weiß der 32-Jährige. „Aber wir liegen auch nicht auf der faulen Haut, wir verdienen manchmal unterwegs Geld.” Annkathrin übernehme gelegentlich Aufträge als Gestaltungstechnische Assistentin für ihren ehemaligen Arbeitgeber, und der gelernte Mediengestalter Nico habe passives Einkommen durch Verkäufe von von ihm gestalteten T-Shirts sowie Vektorgrafiken. Über ihre Reise, die sich bei Instagram, YouTube und auf ihrer eigenen Internetseite jeweils unter „zweiaufrad” verfolgen lässt, führen die beiden Radfahrer genau Buch und Statistiken. 40 Kilometer radeln sie durchschnittlich am Tag, wobei es durchaus Ruhetage gibt – spontan oder geplant, um eine Stadt anzusehen. Ruhetage sind für das Paar regelmäßig vonnöten, um das Equipment wie Kameras, Handys und Laptops wieder aufzuladen. Auch deshalb wählen Nico und Annkathrin zwischendurch Unterkünfte wie Campingplätze, Apartments, Hotels, Hostels oder wohnen bei Gastgebern. Zur Koordination ihrer Schlafmöglichkeiten nutzen sie diverse Apps wie Warmshowers oder 1niteTent. Die Freude über eine Dusche, eine Steckdose – die sie in Frankreich auch schon an der Außenfassade einer Kirche gefunden haben – oder eine Waschmaschine ist auf ihrem Trip groß. Mit dem Wildcampen machte das Paar bisher unterschiedliche Erfahrungen. In Deutschland seien sie einmal angesprochen worden, dass sie dort nicht zelten dürften, erzählt Nico, doch Ärger hätten sie noch nirgendwo bekommen. In den dicht bevölkerten Niederlanden gab es kaum Möglichkeiten zum Wildcampen, während Frankreich viele Möglichkeiten bietet. „In Frankreich sind die Leute sehr gastfreundlich”, berichtet Annkathrin über ihre Erfahrungen. „Viele bieten ihre Hilfe an und kommen offen auf uns zu.” Französisch könnten sie jedoch kaum.

Pech mit dem Zelt

Unter so einer intensiven Reise hat natürlich auch das Material zu leiden, allen voran das Zelt und die Fahrräder. Während mit nur einem Platten und einer abgesprungenen Kette sowie einem Tag mit vollkommen verschlammten Reifen besondere Vorkommnisse mit den Fahrrädern bisher selten waren, haben Annkathrin und Nico kein Glück mit ihrem Lieblings-Zuhause, dem Zelt. Noch in Deutschland mussten sie ihr Zelt austauschen, doch auch bei ihrem in Bremen neu erstandenen Zelt ist bereits wieder eine Stange gebrochen. Die Verhandlungen mit dem Hersteller laufen, doch wenn man immer auf Achse ist, bleibt kaum Zeit dafür. Unternehmungen wie der Zeltkauf sind für das Paar nicht ganz einfach, denn in der Regel muss einer auf die vollbepackten Fahrräder aufpassen, während der andere im Laden ist. Der Mitarbeiter des Outdoorgeschäfts in Bremen erkannte diese Not und ließ die Radreisenden mitsamt Fahrrädern in den Laden kommen, damit sie in Ruhe ein Zelt aussuchen konnten. Auch bei Stadtbesichtigungen und Einkäufen wechseln sie sich ab, damit immer jemand auf die Fahrräder aufpassen kann – wenn diese nicht sicher beim Gastgeber untergestellt sind. Auch gegen Diebstahl sind sie gut gewappnet, verfügen sogar über eine Fahrrad-Alarmanlage, die anschlägt, wenn jemand ihre Fahrräder bewegt. Wenn man immer zu zweit unterwegs ist, sei es auch mal schön, sich für einige Zeit alleine etwas anzusehen, meint Nico. Natürlich sei es auf dem Trip auch schon zu kleineren Streitigkeiten gekommen, die sich aber schnell beilegen ließen. Unterwegs seien sie schon anderen Radreisenden begegnet und mit ihnen ins Gespräch gekommen.

Sachen müssen trocken bleiben

Die Gesundheit machte den beiden Radlern gleich am Anfang ihrer Reise einen Strich durch die Rechnung, als Nico an Tag drei über Rückenschmerzen und Übelkeit klagte. Was sich als Muskelverspannungen entpuppte, konnte mit Medikamenten, Igelball und Wärmflasche gelöst werden. Annkathrin hatte in den Niederlanden einen Sturz mit ihrem Fahrrad. „Ich hatte ein aufgeschürftes Bein und konnte meine Hose hinterher wegschmeißen”, erzählt die 26-Jährige. „Am Anfang waren es Dinge, die durch die Anstrengungen auf dem Fahrrad kommen”, erklärt Nico. „Mittlerweile haben wir uns gut an unsere Fahrräder gewöhnt.” Einer der größten Gegner auf ihrem Trip ist die Feuchtigkeit. Ihr neues Zelt, das ihr Zuhause für unbestimmte Zeit sein soll, hat bereits Stockflecken, weil sie es manchmal noch klamm einpacken müssen. „Man muss immer darauf achten, dass die Sachen trocken bleiben”, so Nico. Mit Gewittern und Regenschauern hatten sie immer wieder zu kämpfen – ein Vorgeschmack auf das herannahende Herbstwetter. Und ihre 45 Kilogramm Gepäck pro Fahrrad werden natürlich noch schwerer, wenn es feucht ist. Auf ein Gewitter in Belgien blickt das Paar positiv zurück. Eine Grillhütte, die ihnen als Unterstand geraten worden war, entpuppte sich zwar als privat, doch der Besitzer ließ sie dort übernachten und kam sogar, um ihnen den Strom anzuschalten. (JVE)

Foto:privat

Mit Rad und Zelt langsam um die Welt
Cookie Consent mit Real Cookie Banner