Der Winsener Zimmerermeister Emil von Elling bringt das Fachwerk nach Nepal

Er kam nach Nepal, um zu helfen – gefunden hat er neue Freunde. Der Zimmerermeister Emil von Elling aus Winsen baut in Nepal ein Ausbildungszentrum für Tischler und Zimmerer auf. An Nepal hat der 62-Jährige sein Herz verloren. Dabei kam er zu seinem Projekt durch einen Zufall: Nachdem im Jahr 2015 bei einem Erdbeben in Nepal 600.000 Häuser zerstört wurden, wurde er von einer Hilfsorganisation aus Süddeutschland kontaktiert. Der Zimmerermeister und Architekt ist mit seinem Unternehmen auf Fachwerkhäuser spezialisiert und wurde gebeten, ein erdbebensicheres Haus in Nepal zu bauen. So entwickelte er eine besondere Konstruktion und fuhr 2017 zum ersten Mal nach Nepal, um mit einheimischen Handwerkern vor Ort ein erdbebensicheres Fachwerkmusterhaus zu bauen. Schäden wie nach dem verheerenden Erdbeben sollten in Zukunft vermieden werden. Da Emil von Elling daran gelegen war, auch Material und Geräte für den Bau mit Holz in das Land zu bringen, suchte er Kontakt zu einer anderen Hilfsorganisation, die zu dem Transport in der Lage war. Durch seinen Kontakt zum Verein „Zukunft für Nepal Ostwürttemberg” aus Aalen entstand das nächste Projekt. Der Verein, der in Nepal ein Schulprojekt mit einem angeschlossenen Ausbildungszentrum für Schweißer und Schlosser betreibt, plante die Erweiterung um eine neue Halle für die Ausbildung für Tischler und Zimmerer. Hierbei brauchte der Aalener Verein die Hilfe des Winseners.

Akzeptanz durch Azubi
aus Nepal

Emil von Elling begann in Deutschland, Holzbearbeitungsmaschinen für Nepal zu sammeln – teils ausgemusterte, teils gespendete, teils neu beschaffte – und in seinem Betrieb die Hallenkon-struktion in Fachwerkbauweise zu planen und vorzufertigen. „Der Verein hat das toll vorbereitet”, erinnert sich Emil von Elling. „Er hat einen Ort in Nepal gesucht, der das Ausbildungszentrum mit ihnen zusammen aufbaut.” Ausgewählt wurde die 500-Seelen-Gemeinde Dhakal Khola, aus der ein Einwohner für das neue Ausbildungszentrum sein Grundstück zur Verfügung stellte. Die Planung fand 2019 statt, doch durch die Corona-Pandemie konnten die Güter lange nicht nach Nepal gebracht und die Arbeiten nicht begonnen werden. Der Sohn des nepalesischen Grundstücks-Stifters, Shankar Dhakal, hatte ursprünglich beschlossen, in Deutschland Medizin zu studieren, doch auch hier kam ihm Corona dazwischen. So bot Emil von Elling dem jungen Mann an, in seinem Betrieb in Winsen erst ein Praktikum zu machen, bevor er ihm einen Ausbildungsplatz zum Zimmerer anbot. In diesen zwei Jahren bewährte sich Shankar so sehr, dass Emil von Elling ihn als dualen Studenten für den Praxisteil in seinem Betrieb behielt, als er in Buxtehude begann, Architektur zu studieren. Der Kontakt zu Shankar, der für Emil von Elling ein Freund geworden ist, ist für die Reisen des Winseners gut und wichtig. „Durch Shankar habe ich einen direkten Draht zu den Menschen”, erzählt der 62-Jährige, der inzwischen zweimal im Jahr für jeweils zwei Wochen nach Nepal reist. „Ihn nehme ich immer mit, auch als Übersetzer.” Der 24-Jährige, der seine Ausbildung bei von Elling als Bester abgeschlossen hat, änderte die Einstellung seiner Mitarbeiter zu Ellings „Besessenheit” von Nepal. „Manchmal hieß es: Der Alte und sein Scheiß-Nepal. Die Container standen ewig auf dem Hof rum und einige waren genervt”, erzählt von Elling. Doch durch den Kontakt und die Zusammenarbeit mit dem sympathischen und umgänglichen Shankar hätten viele ihre Meinung geändert.

Hilfe zur Selbsthilfe

Im Juli 2022 war es endlich soweit: Der seit einem Jahr auf dem Betriebsgelände in Winsen stehende Container mit der Holzkonstruktion für die Ausbildungshalle sowie drei Container mit Maschinen konnten nach Nepal verschifft werden. „Es waren alles etwas ältere, gebrauchsfertige Maschinen. Ich importiere da keinen Schrott”, stellt von Elling klar. Im November 2022 flog er selbst mit dreien seiner Mitarbeiter, dem Nepalesen Shankar, dem frisch ausgelernten Zimmerer Jan-Niklas Schaar und seinem Auszubildenden Bennet Steffen, in das asiatische Land, um gemeinsam mit einheimischen Handwerkern die Ausbildungshalle zu errichten. Wenn alles fertig ist, sollen hier junge Nepalesen ausgebildet werden, um erdbebensichere Häuser zu bauen, aber auch um mit den dort hergestellten Waren sich und das Projekt in Zukunft finanzieren zu können. Als Leitgedanke steht dabei immer die „Hilfe zur Selbsthilfe” im Mittelpunkt. Im März 2023 waren Emil von Elling und Shankar in Begleitung von Mitgliedern des Aalener Hilfsvereins wieder vor Ort, um den Einheimischen die Bedienung der ersten Maschinen zu zeigen. „Zunächst haben wir vier Maschinen erklärt”, so von Elling. „Ich möchte im September wieder hin, der Zeitpunkt hat auch mit der Regenzeit und dem Studium von Shankar zu tun.”

 

Nepal war schon in seiner Jugend immer ein Traumreiseziel, das Emil von Elling nie bereist hatte. „Ich hatte Nepal immer auf der Agenda. Ich freue mich, dass ich da auch gleich helfen kann”, sagt er. Die Erwartungen bei seinen Besuchen vor Ort wurden nicht enttäuscht – im Gegenteil. Der 62-Jährige ist immer wieder gerührt von der Herzenswärme der Menschen, aber auch von der Wissbegier der einheimischen Handwerker. „Es ist grandios, was die da auf die Beine gestellt haben”, meint von Elling. Es sei richtig gewesen, ein ganzes Dorf in die Planung mit einzubeziehen und das Interesse abzufragen. So würden auch alle Bewohner des Dorfes aufpassen, dass nichts wegkomme: In den Monaten zwischen der Anlieferung und dem Aufbau der Halle blieben alle Maschinen und Werkzeuge unangetastet an Ort und Stelle, obwohl sie nicht in einem verschlossenen Raum gelagert wurden.

Das Leben zurückgedreht

Obwohl die Menschen in dem nepalesischen Dorf 30 Kilometer von der Hauptstadt Kathmandu entfernt in Blechhüten unter ärmlichen Verhältnissen leben, können sie sich selbst von ihren Feldern ernähren und müssen nicht hungern. Sie können sogar Überschüsse der Ernte in der Hauptstadt verkaufen. Dennoch seien die Lebensbedingungen sehr einfach. Bei dem Erdbeben 2015 seien alle Häuser im Dorf zerstört worden, so dass sie behelfsweise in Wellblechhütten leben, in denen sie auf offenem Feuer im Raum kochen. „Man fährt in die fünfte, nicht in die dritte Welt”, meint der hochgewachsene Emil von Elling, der in Dhakal Khola schon wegen seiner Körpergröße allen bekannt ist. „Es ist für mich, als hätte man mein Leben zurückgedreht. Ich bin auch auf dem Dorf aufgewachsen, bei uns wurden Lebensmittel oder Wasser auch nicht weggeworfen und immer wiederverwendet.” Junge Leute wollen von hier weg, die Arbeitsbedingungen sind schlecht, weiß von Elling. Auch aus diesem Grund setze sich der Aalener Verein „Zukunft für Nepal Ostwürttemberg” dafür ein, Ausbildungsberufe wie Tischler vor Ort wieder attraktiv zu machen. „Wir wollen zeigen, dass es auch anders sein kann. Wir haben ihnen die deutsche Art angelernt und wollen sie weiterbringen”, so von Elling. „Wir haben ihnen gesagt: Wir machen aus Eurem Tal das Tal der Tischler.” Auch sein Schützling Shankar möchte nach dem Studium nach Nepal zurückkehren und das Erlernte in seinem Heimatland anwenden. Emil von Elling weiß, dass es mit den Maschinen allein an Material nicht getan ist. Regelmäßig werden Ersatzteile gebraucht und müssen Sägeblätter geschärft werden. „Ich habe bei meinem Besuch in einer Werkstatt Sägeblätter gesehen, da wird einem schwindlig”, berichtet der Zimmerermeister. Aus diesem Grund hat der Winsener in Deutschland die Maschinen so umrüsten lassen, dass man sie schärfen kann, ohne dass – wie in Deutschland üblich – regelmäßig ein Schärfdienst kommen muss. Auch über die Versorgung mit Ersatzteilen hat er schon nachgedacht: „Ich würde gerne ein Netzwerk für Nepalfreunde aufbauen. Jeder, der nach Nepal fliegt, könnte in seinem Rucksack oder Koffer ein Kilogramm Werkzeuge mitnehmen.” Die Ideen gehen von Elling nicht aus, und wenn seine Gesundheit es zulässt, will er noch eine lange Zeit in Nepal mithelfen. „Es macht mir alles riesengroßen Spaß.”

Wie nach Hause kommen

Bei seinem letzten Besuch hat Emil von Elling den einheimischen Tischlern gezeigt, wie man Tische und Bänke baut. Denn das langfristige Ziel soll sein, dass sich die Tischler vor Ort mit ihrer Arbeit selbst finanzieren können. Von Elling ist begeistert von den Handwerkern vor Ort, denen er die Arbeit an den deutschen Maschinen zutraut. „Ich bringe sie hundert Jahre nach vorne”, meint er. „In ihren Werkstätten sieht es aus wie vor hundert Jahren bei der Gründung unseres Betriebes durch meinen Großvater.” Im März 2024 will er den Einheimischen zeigen, wie man erdbebensichere Häuser baut. „Fachwerkhäuser sind immer erdbebensicher”, erläutert der 62-Jährige, das liege auch an den Dreiecken, die stabilisierend wirken würden. Der Winsener freut sich jedes Mal wieder, in das nepalesische Dorf zurückzukommen. „Als ich das zweite Mal da war, war es fast wie nach Hause kommen”, erinnert er sich. Er fühlt sich wohl unter den Menschen, die nicht viel haben und doch so viel Herzenswärme, Ehrlichkeit und Freundlichkeit geben. „Das macht Nepal so liebenswürdig. Für die Leute ist das Menschliche das Wichtigste.” Im Dorf hat er Freundschaften geschlossen, wird zu Festen mit eingeladen, trinkt mit den Bewohnern Tee oder spielt mit ihnen Karten. Auch von Ellings Frau und Kinder bekommen jedes Mal zu spüren, wie ihn seine Reisen nach Nepal verändern: „Ich komme jedes Mal extrem ruhig zurück. Die Leute haben hier Probleme, die keine sind. In Nepal arbeiten die Tischler ohne Schuhe, und wir regen uns über alles auf. Wir leben in winddichten Häusern, und die freuen sich da, dass sie am Leben sind. Es relativiert alles. Man kommt zurück und sieht die Dinge anders. Das ändert das Weltbild.” (JVE)

 

Im Tal der Tischler
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