
Der Lüneburger Björn Barton ist Feuerwehrtaucher
Schon seit seiner Kindheit hatte Björn Barton den Traum, Taucher bei der Feuerwehr zu werden. Inzwischen gehört der 45-Jährige seit mehr als 20 Jahren der Tauchergruppe der Freiwilligen Feuerwehr Lüneburg an. Ein Ehrenamt, das ihn ausfüllt.
Hauptberuflich ist Björn Barton Orthopädietechnikermeister. Wenn der Lüneburger über seinen Pieper einen Notruf erhält, muss es oft schnell gehen, dann muss er seinen Job liegen lassen und im Zweifelsfall Leben retten. Bei der Feuerwehr landete Barton im Alter von zehn Jahren. „Ich durfte wegen einer Knieverletzung nicht mehr Fußball spielen, da kam ich zur Jugendfeuerwehr”, erinnert sich der 45-Jährige. Weil der damalige Jugendwart auch Leiter des Tauchwesens bei der Feuerwehr war, wurde Barton auf die Tauchergruppe aufmerksam und wusste: Das will ich auch später machen.
Um ein erstes Gefühl für das Tauchen zu bekommen, machte Björn Barton mit 15 Jahren mit einem Freund privat den Sport-Tauchschein. Zusätzlich schlug er bei der Feuerwehr die gängige Laufbahn ein. Um in die Tauchergruppe der Feuerwehr aufgenommen zu werden, ist die Grundausbildung der Feuerwehr unumgänglich, jeder Taucher ist auch als Kamerad bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Für die Tauchergruppe muss man die so genannte G31-Tauglichkeit bestehen, das ist eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung zum Nachweis der Tauchtauglichkeit. Dazu gehören ein Belastungs-EKG, ein Hör- und Sehtest sowie eine körperliche Untersuchung. „Ein Durchschnittssportler sollte das schaffen”, so Bartons Einschätzung. Bei der Prüfung zum Feuerwehrtaucher darf außerdem das Schwimm-Silberabzeichen nicht älter als zwei Jahre sein.
Umfangreiche Ausbildung
Die Ausbildung zum Feuerwehrtaucher findet in der Tauchergruppe statt und dauert in der Regel drei Jahre. „Die Ausbildung in Praxis und Theorie ist deutlich umfangreicher als beim Sporttauchen”, erklärt Björn Barton. Geprüft werde in mehreren Stufen, jedes Mal theoretisch, praktisch und mit simulierter Notsituation. Der Umfang der Ausbildung sei wohl auch der Grund, warum einige das Handtuch werfen würden, vermutet er. „Im Schwimmbad sind viele Leute noch bei der Sache, hören dann aber bald auf. Das Tauchen in den Einsatzgewässern ist dunkel, kalt und beengend und das Gerät ist schwer und unbequem. Das ist niemals mit dem Sporttauchen zu vergleichen.” Für Björn Barton aber, der seit dem Jahr 2000 in der Tauchergruppe ist und 2003 die Prüfung zum Feuerwehrtaucher bei der Berufsfeuerwehr in Hamburg ablegte, ist das Tauchen für die Feuerwehr nach wie vor das, woran er richtig Spaß hat.
Auch nach der Prüfung wird immer weiter für den Ernstfall trainiert. „Man muss jedes Jahr Tauchgänge unter Einsatzbedingungen nachweisen”, erklärt Björn Barton, geübt werde bei zwei Diensten im Monat. Da alle 14 Mitglieder der Lüneburger Tauchergruppe, die überwiegend aus der Stadtfeuerwehr, aber auch aus Feuerwehren im Landkreis kommen, berufstätig seien, gehe dies nur abends. Hinzu kommen notwendige Fortbildungen.
Die Tauchergruppe der Lüneburger Feuerwehr besteht momentan nur aus Männern. Zu der Begründung kann Björn Barton nur Vermutungen anstellen: „Dass wir keine Frauen haben, kann nicht an der Gruppe liegen – wir sind sehr offen dafür.” Er wisse jedoch von anderen Tauchergruppen, denen Frauen angehören würden. Die Tauchergruppe der Lüneburger Feuerwehr hat die gleichen Nachwuchsprobleme wie viele Vereine auch. So gehören der Gruppe viele junge Kameraden im Alter von 20 bis 25 Jahren an, dann gehe die Altersspanne erst ab Mitte 30 weiter. „Der Älteste ist etwa Mitte 50”, weiß Björn Barton.
Unterschätzte Gewässer
Björn Barton schätzt den Zusammenhalt in der Tauchergruppe, man vertraue sich sozusagen blind. Der hohe Standard und das hohe Niveau seien ausschlaggebend dafür, dass ihm das Tauchen so viel gebe. „Letztendlich machen wir das, um in Einsätze zu gehen und Herausforderungen zu lösen.” Einsätze habe die Lüneburger Tauchergruppe pro Jahr zwar nur im einstelligen Bereich, doch da es sich dabei zunehmend um Menschenbergungen aus den Gewässern Elbe, Elbe-Seitenkanal, Ilmenau und den Seen handle, könne man froh sein über eine geringe Zahl.
Wenn die Tauchergruppe der Feuerwehr angefordert wird, um im Wasser nach einem Menschen zu suchen, ist es in der Regel schon zu spät, denn dann ist die Überlebenschance gering. Die Zahl der in den Gewässern Verunglückten oder in Not Geratenen habe in den vergangenen Jahren sichtlich zugenommen, so Bartons Beobachtung. „Die Leute sind leichtsinniger geworden, auch mit Sportgeräten, und immer weniger Menschen können schwimmen”, berichtet er. Viele Erwachsene würden die Gewässer unterschätzen. Björn Barton ist einer von zwei Taucheinsatzleitern in der Tauchergruppe. Das heißt, er wird vorrangig alarmiert und teilt die Funktionen beim Einsatz auf. Da sie eine Sondertruppe sind, ist keine Zeit vorgegeben, innerhalb der sie nach Alarmierung am Einsatzort sein müssen. Wenn es um kleine technische Arbeiten geht, bekommt er manchmal nur einen Anruf von der Leitstelle – dann ist keine Eile geboten, und der Einsatz kann nach Feierabend erledigt werden.
Schlechte Sicht
Für einen Einsatz der Feuerwehrtaucher werden mindestens vier Taucher benötigt. So besteht der Tauchtrupp aus dem Taucheinsatzleiter, dem Einsatztaucher, einem Sicherungstaucher und dem Signalmann. Diese teilt Barton je nach Lage und Erfahrungsstand der Taucher vor Ort ein. Die Tageszeit spielt in Hinblick auf die Sicht unter Wasser bei den Einsätzen keine Rolle. Denn bis auf die oberen Lagen in einigen Seen ist die Sicht aufgrund der Schwebeteilchen, besonders in Elbe und Elbe-Seitenkanal, schlecht. „Wir können unter Wasser auch nicht mit Licht arbeiten, dann sieht man nur die Schwebeteilchen direkt vor sich”, erklärt der Taucher. Gearbeitet werde überwiegend blind über den Tastsinn.
Neben der Personenbergung ist die Tauchergruppe bei technischen Einsätzen unterwegs. Nach Havarien gilt es, bei leckgeschlagenen Binnenschiffen unter Wasser die Leckage zu suchen und abzudichten. Auch die Bergung von Fahrzeugen kommt immer mal wieder vor. „Neulich mussten wir einen Gabelstapler aus dem Wasser bergen. Er war in Bleckede von der Hafenkante gefallen”, erzählt Barton. Auch Autos müssten nach Unfällen oder Leichtsinnigkeit immer wieder geborgen werden. „Beim Fähranleger kommt es gelegentlich vor, dass Personen über den Fähranleger hinaus fahren. Das sind eher Einsätze, über die man schmunzeln kann, wenn kein Personenschaden dabei ist”, erzählt der 45-Jährige. Die Tauchergruppe wird auch gerufen, wenn in Gewässern ein Gegenstand vermutet wird. Da kommt dann oft Diebesgut zum Vorschein. Während Fahrräder und Motorroller gängige Fundstücke sind, war bei den Einsätzen der Tauchergruppe auch schon Ungewöhnliches dabei – von Tresoren und Registrierkassen über Drogen bis hin zu Munition. Bei Munitionsfunden lassen auch die Feuerwehrtaucher ihre Finger davon. „Das ist auch für uns gefährlich, wir sind ja kein Kampfmittelräumdienst”, erklärt er. In diesem Fall würden sie vielleicht noch bergen, aber dann sei die Polizei gefragt.
Natürlich kommt es regelmäßig vor, dass Gesuchtes nicht sofort gefunden wird. Durch die teils starke Strömung der Gewässer werden Personen oder Gegenstände oft an ganz anderen Orten aufgefunden als vermutet. So könne die Suche auch mehrere Tage in Anspruch nehmen oder an Kollegen in Nachbarlandkreisen abgegeben werden. Das herausforderndste Gewässer sei die Elbe. Für die Personensuche gelte: „Auch wenn nach ein paar Tagen die Gewissheit da ist, dass man niemanden mehr lebend finden kann, hängt es von der Lage ab, wann wir aufhören. Es ist ja auch wichtig für die Angehörigen, Vermisste zu finden und Gewissheit zu haben, um abschließen zu können. Wir suchen mit höchster Sorgfalt und wollen die Suche abschließen.”
Hilfe durch Seelsorger
Um das Erlebte – und im Todesfall oft Belastende – zu verarbeiten, wird noch vor Ort oder später am Standort eine Einsatz-Nachbesprechung gemacht. Wenn Taucher der DLRG die Feuerwehr unterstützt haben, wird die Besprechung gemeinsam durchgeführt. Doch die Gruppe tauscht sich nicht nur untereinander aus. Wenn der Bedarf besteht, ist die Lüneburger Feuerwehr seelsorgerisch gut aufgestellt und bietet eine Betreuung und Begleitung an. Diese Hilfe zu suchen und anzunehmen ist für Björn Barton eine Selbstverständlichkeit. „Es ist leider unsere Hauptaufgabe, Tote zu bergen”, erklärt er. Grundsätzlich lasse er die Emotionen nicht nah an sich heran – doch wenn Kinder betroffen seien, sehe das anders aus. Der 45-Jährige ist Vater zweier Kinder (13 und 15). Ihnen hat er mit seiner Frau nicht nur früh das Schwimmen beigebracht. Sie wissen durch ihren Vater genau, in welchen Gewässern es zu gefährlich zum Schwimmen ist und wo man vorsichtig sein muss. Auch wenn also seine Kinder nicht gefährdet sind, hat sich Bartons Sicht auf die Suche nach einem Kind geändert, seit er Vater ist. „Man denkt anders darüber nach, wenn man selbst Kinder hat. Wie wäre es für mich, wenn es mein Kind gewesen wäre?”
In seinen gut 20 Jahren als Feuerwehrtaucher hatte die Tauchergruppe schon zahlreiche tragische Einsätze. Doch es gab auch Einsätze, die sich zum Guten wendeten. „Einmal haben wir zwei Kinder im Eis gesucht. Da standen wir ganz schön unter Dampf. Irgendwann haben wir die Kinder im Gebüsch beim Zuschauen gefunden – die Angehörigen hatten sie nur nicht finden können. Es war eine mächtige Arbeit, da ich als Taucher nicht durch die vermeintliche Einbruchsstelle im Uferbereich passte, aber wenn man hinterher lachen kann, ist es schön.” Einige Einsätze sind dem Feuerwehrtaucher besonders in Erinnerung geblieben. Zum Beispiel der tragische Vorfall, als der Christoph-19-Hubschrauber im Jahr 2003 nach einem Flug unter der Kanalbrücke im Eis des Elbe-Seitenkanals abstürzte und erst nach Stunden geborgen wurde. Oder der Großeinsatz am Scharnebecker Inselsee, als ein Trecker und ein Bagger bei einem Arbeitsunfall in der Böschung abgesunken und ins Wasser gestürzt waren. Bei beiden Unfällen gab es Tote.
Das Tauchen nimmt im Alltag von Björn Barton viel Zeit in Anspruch – getaucht wird das ganze Jahr bei Tag und Nacht bei jedem Wetter. Neben den zwei Diensten im Monat wendet ein Feuerwehrtaucher im Sommer monatlich rund 15 Stunden für die Tauchergruppe auf, um auf seine erforderlichen Tauchstunden zu kommen. Ohne das Verständnis von Familie und Arbeitgebern wäre da das Ehrenamt nicht möglich. (JVE)
Foto: Daniel Roemer, Feuerwehr Lüneburg