Anderen etwas Gutes zu tun und mit unterschiedlichen Menschen zu tun zu haben, das schätzt Christina Gollnisch-Kopp in ihrem Ehrenamt. Die Bleckederin ist über den Betreuungsverein Lüneburg ehrenamtlich als Betreuerin tätig.

Christina Gollnisch-Kopp hat ursprünglich Friseurin gelernt. Doch das sollte nicht alles gewesen sein. Gleich nach der Gesellenprüfung absolvierte sie eine Ausbildung in der Pflege, holte später das Abitur per Abendschule nach. Bis 2005 arbeitete sie in verschiedenen Kliniken und in der ambulanten Krankenpflege und studierte ab 2004 zusätzlich an der Leuphana Universität Lüneburg Soziale Arbeit, was sie 2006 abschloss. Nach ihrer Anerkennung bei der Lebenshilfe wechselte sie zu verschiedenen Trägern der Sozialen Arbeit, sammelte Kenntnisse in der Suchtarbeit, bei Pro amilia, in der Jugend- und Familienhilfe und in der Pflegeelternfachberatung. 2012 wechselte die 62-Jährige zum Albert-Schweitzer-Familienwerk nach Bleckede, wo sie inzwischen ausschließlich in der Pflegeelternfachberatung tätig ist. Die Pflege und Betreuung von Menschen, die Unterstützung brauchen, liegen ihr von jeher am Herzen. „In der Pflege und auch als Sozialarbeiterin hatte ich immer wieder Berührungspunkte mit Betreuung”, erzählt sie. Zwar seien ihre Erfahrungen in der Regel positiv gewesen. „Aber manchmal taten mir die älteren Menschen leid, die schlecht betreut waren. Deshalb wollte ich die Aufgabe als ehrenamtliche Betreuerin übernehmen, etwas bewirken.” 2018 wandte sich die Bleckederin an den Betreuungsverein Lüneburg und informierte sich über das Ehrenamt. Etwa 60 Prozent aller rechtlichen – oder gesetzlichen – Betreuungen werden laut Aktion Mensch ehrenamtlich geführt, durch Familienangehörige oder andere Ehrenamtliche. Rund 40 Prozent sind Berufsbetreuerinnen und -betreuer. Geholfen wird Menschen, die aufgrund von Krankheit, Alter oder Behinderung in einigen Bereichen ihres Lebens Unterstützung benötigen. Eine Aufgabe des Betreuungsvereins ist es, die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer durch professionelle Beratung sowie das Angebot von spezifischen Fortbildungen zu unterstützen und ihnen in ihrer Tätigkeit mit fachlichem Rat zur Seite zu stehen. Starre Voraussetzungen für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer gibt es nicht, allerdings weist der Betreuungsverein darauf hin, dass man etwa eine bis drei Stunden Zeit pro Woche, Geduld und Toleranz, etwas Organisationstalent, keine Scheu vor Tätigkeiten wie Telefonieren oder Briefe schreiben sowie Einsatzbereitschaft und Durchsetzungsvermögen für die Betroffenen bei Behörden, Heimen oder anderen Einrichtungen mitbringen sollte. Nach einer kurzen Bedenkzeit war sich Christina Gollnisch-Kopp sicher: „Es hat einfach gepasst.”

Entlastung für die Familie

Bevor sie als ehrenamtliche Betreuerin arbeiten konnte, wurde vom Amtsgericht Lüneburg zunächst überprüft, ob sie Vorstrafen oder Einträge im Schuldnerverzeichnis hat. Nachdem die Betreuungsbehörde sie dann beim Amtsgericht als zukünftige Betreuerin vorgeschlagen hatte, wurde sie vom Gericht zur Betreuerin bestellt. Seit 2019 führt sie zwei ehrenamtliche Betreuungen neben ihrer Berufstätigkeit. Christina Gollnisch-Kopp betreut im Landkreis Lüneburg eine Frau und einen Mann, beide unter 60 Jahren, die durch Krankheit und Behinderung in einigen Bereichen nicht für sich selbst sorgen können. Zwar hat die eine Person nahe Verwandte, doch die Familie entschied zur eigenen Entlastung, eine Betreuung einzusetzen. „Zuvor waren Familienangehörige die Betreuer, doch dann wurde die Belastung größer und sie baten um Unterstützung. Nun ist diese Verwandte noch Vertretungsbetreuerin”, erklärt Christina Gollnisch-Kopp. „Wir arbeiten gut zusammen, bilden ein gutes Team.” Für die geistig und körperlich beeinträchtigte Person, die in einer Pflegeeinrichtung lebt und die sie mindestens alle vier Wochen persönlich aufsucht, übernimmt die ehrenamtliche Betreuerin sämtliche Angelegenheiten mit Ämtern, Kranken- und Rentenversicherung sowie die Finanzen. Dazu gehören Anträge zur Erhöhung des Pflegegrades, zur Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises, für Hilfsmittel wie einen Rollstuhl oder auch Wohngeld. Wenn etwas ansteht oder vorgefallen ist, wird die Betreuerin von der Einrichtung informiert. „Über die Gesundheitsfürsorge darf ich alleine entscheiden”, erklärt die 62-Jährige, „bei gravierenden Entscheidungen muss das Betreuungsgericht eingeschaltet werden.” Für jede Betreuung besitzt sie eine eigene Bestallungsurkunde vom Gericht, in der die Aufgabenbereiche der Betreuung klar benannt sind. Dem Gericht muss jeder Betreuer außerdem einmal im Jahr mit einem Bericht über die Finanzen und Betreuungsbereiche Rechenschaft ablegen, auch regelmäßige Besuche bei den Betreuten sind vorgesehen. „Wir werden immer wieder geprüft und überprüft, das ist auch sinnvoll”, meint sie. Als ehrenamtliche Betreuerin erhält sie eine Aufwandsentschädigung von 425 Euro jährlich – im Gegensatz zu Berufsbetreuern, die monatlich und anders vergütet werden.

 

Betreuung ist keine  Entmündigung

Bei der zweiten von ihr betreuten Person gestaltet sich die Lage anders. Sie ist meist bettlägerig, wird von einem Pflegedienst versorgt und hat keinen Kontakt zu ihrer Familie. „Die Person ist geistig voll fit und geschäftsfähig, kann sich nur nicht selbst versorgen”, erzählt die Betreuerin. Eines gibt sie zu bedenken: Eine rechtliche Betreuung ist keine Entmündigung. Durch die Reform des Betreuungsrechts, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, soll die Selbstbestimmung der Betreuten noch weiter gestärkt werden. Die Aufgabenkreise werden mit der Reform zu Aufgabenbereichen und sind vom Betreuungsgericht im Einzelnen anzuordnen. „Ich weiß, dass Menschen unterschiedlich betroffen sein können. Man sollte Menschen darin unterstützen, was sie können”, meint sie. Für die kranke Person, die ihr Haus nicht verlässt, übernimmt Christina Gollnisch-Kopp die Bank- und Behördengeschäfte, kümmert sich um die Vermögens- und Gesundheitssorge und organisiert die Pflege. In Kontakt steht sie mit der Person, zu der sie in der Regel alle zwei Wochen fährt, über SMS. Wie eng der Kontakt zwischen Betreuerin und betreuter Person ist, hängt vom jeweiligen Typ sowie von Vertrauen und Sympathien zueinander ab. Christina Gollnisch-Kopp hat inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis zu der Person in der Pflegeeinrichtung und zu deren Familie, während der Kontakt zur alleine lebenden Person freundlich, aber nicht eng ist. „Ich finde es das A und O, dass man gut zusammenarbeitet”, sagt sie. Zwischenmenschliche Schwierigkeiten, über die ihr Betreuerkollegen schon berichtet haben, hat sie noch nicht erlebt. Doch bevor die Betreuung zustande kam, konnten sich auch beide Seiten kennenlernen, außerdem ist ein Beenden oder Wechseln der Betreuung möglich. Hierfür ist das Betreuungsgericht zuständig. Christina Gollnisch-Kopp nimmt die Belange ihrer Betreuten ernst. „Ich finde es wichtig, den Menschen alles Gute zukommen zu lassen, was möglich ist”, meint sie. So hatte sie jüngst mit der Problematik zu tun, dass es der Person in der Pflegeeinrichtung gesundheitlich schlechter ging und diese mehrmals krankheitsbedingt aus dem Rollstuhl gefallen war. In vielen Gesprächen und Rücksprachen mit der Pflegeeinrichtung, Ärzten, der Familie und dem Gericht – und nicht zuletzt mit der betroffenen Person selbst, deren Einwilligung für alle wichtig war – wurde entschieden, die Person mit einem zusätzlichen Haltegurt am Rollstuhl zu sichern. „Dazu musste mein Betreuungsbereich verändert beziehungsweise erweitert werden”, erklärt die Betreuerin, die in dieser Sache auch Beratung durch den Betreuungsverein Lüneburg erhielt. Hier hat man immer ein offenes Ohr für sie, und auch Infoveranstaltungen für die Ehrenamtlichen bietet der Verein etwa viermal im Jahr an.

Arbeitsintensives Ehrenamt

Wie viel Zeit Christina Gollnisch-Kopp tatsächlich für ihr Ehrenamt aufwendet, kann sie nicht genau sagen. „Es gibt Zeiten, da bin ich fast jeden Tag damit beschäftigt. Es ist schon arbeitsintensiv”, erklärt sie. „Aber es ist für mich durch meinen Beruf von Vorteil zu wissen, an wen ich mich wenden muss. Auch dass ich selbst aus der Pflege bin, ist ein großer Vorteil.” Durch ihre Jugendhilfe-Tätigkeit habe sie zudem oft mit Betreuung und Vormundschaften zu tun. Die Ehrenamtliche kann glücklicherweise die Dienste für ihren Hauptjob flexibel nach dem Ehrenamt ausrichten. Der ehrenamtlichen Betreuerin macht ihre Tätigkeit Freude, und so kann sie sich durchaus vorstellen, im Ruhestand noch weitere Betreuungen zu übernehmen. „Ich finde es gut, neugierig zu sein und neue Aufgaben zu bekommen. Meine Betreuungen freuen sich, wenn man etwas für sie tut. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Menschen Betreuungen übernehmen”, sagt sie. Zwar ist die 62-Jährige mit ihren zwei Enkelkindern im Alter von 14 und 16 Jahren und ihrem Begleithund, mit dem sie viel an der Elbe unterwegs ist, auch in der Freizeit gut ausgelastet. „Aber ich kann nicht ganz zu Hause bleiben. Ich kann noch etwas für andere tun.” (JVE)

 

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