Singen im Chor ist weit mehr als ein Hobby

Singen im Chor ist mehr als nur ein Hobby; es ist ein therapeutisches und gemeinschaftliches Erlebnis. Regelmäßige Chorproben bieten den Teilnehmern eine wertvolle Auszeit vom Alltagsstress. Studien belegen, dass das Chorsingen positive Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit hat, von der Stärkung des Immunsystems bis zur Verbesserung der mentalen Stärke.

Singen ist eine Therapie, eine Medizin ohne Nebenwirkungen, die das Herz öffnet und die Seele streichelt. Forscher haben festgestellt, wer zehn bis 15 Minuten bewusst und laut singt, bringt sein Herz-Kreislauf-System in Schwung. Durch die tiefe Atmung beim Singen wird die Sauerstoffsättigung erhöht. Außerdem sinkt der Blutdruck, der Puls wird langsamer und macht den Sänger ruhiger und entspannter. Sogar die Pupillen werden beim Singen häufig kleiner. Auch die Abwehrkräfte werden beim Singen gestärkt. Das belegt eine Studie des Instituts für Musikpädagogik der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Die Speichelproben von Chormitgliedern zeigten einen Anstieg der Immunglobuline A. Diese Eiweiße bilden an den Schleimhäuten einen Schutz gegen Krankheitserreger. Und jeder, der schon einmal aus voller Kehle gesungen hat, weiß: Singen macht einfach glücklich. Wissenschaftlich ist das mit dem Hormoncocktail zu erklären, den Menschen dann ausschütten: Glückshormone wie Endorphine, Serotonin und Dopamin werden freigesetzt, während Stresshormone wie Cortisol abgebaut werden. Nach kurzer Zeit produziert das Gehirn beim Singen Oxytocin, das Bindungshormon, das beim Streicheln von Tieren, bei der Geburt eines Kindes und beim Sex ausgeschüttet wird. Deshalb bauen Sänger innige Beziehungen zueinander auf. Im Chor hat dieses Hormon eine noch stärkere Wirkung, als wenn jemand allein singt. Sängerinnen und Sänger finden nicht nur zu einer tiefen Entspannung, sondern auch zu einem unbeschreiblichen Glücksgefühl.

Er kann ein Lied davon singen

Dr. Franz Peter Schmitz, erster Vorsitzender des Kreis-Chorverbandes Lüneburg, erklärt die Bedeutung des Chorgesangs: „Ich habe schon mein ganzes Leben lang gesungen – in der Familie zur Gitarre mit Freunden und auch für mich alleine. Das Singen im Chor ist allerdings eine ganz spezielle Form des Gesangs, der durch die Mehrstimmigkeit eine wunderbare Klangfülle erzeugen kann. Singen im Chor bedeutet: Gemeinschaft, musikalische Herausforderungen, Arbeiten in Richtung auf ein gemeinsames Ziel, das Glück, anderen Freude vermitteln zu können.“ Wissenschaftlich untermauert wird dies durch zahlreiche Studien, die belegen, wie vielfältig die positiven Auswirkungen des Chorsingens auf die Gesundheit und Psyche sind. Vom Immunsystem bis zur mentalen Stärke, vom Herz-Kreislauf-System bis zur emotionalen Balance – Singen wirkt ganzheitlich und ist gleichzusetzen mit einer leichten sportlichen Betätigung. Das Singen im Chor bringt auch Herausforderungen mit sich. Dr. Franz Peter Schmitz erzählt: „Wir hatten 2018 mit einem großen Projektchor die Carmina Burana einstudiert. Die Generalprobe war gar nicht gut verlaufen, aber alle Mitwirkenden brannten darauf, das Konzert zu einem großen Erfolg zu machen. Im vollbesetzten Libeskind-Auditorium der Leuphana Universität lief es dann bei der Aufführung wie von selbst; nachdem die ersten Klippen gut gemeistert waren, gelang alles Weitere wie ein Rausch. Nachdem der letzte Ton verklungen war, herrschte in dem großen Auditorium zunächst totale Stille, dann brandete tosender Beifall auf. So viele Menschen mit dieser Aufführung begeistert zu haben, erzeugte in mir ein unvergessliches Glücksgefühl.“

 

Eine universelle Sprache

Singen ist eine universelle Sprache, die weit über die Bühnen und Chorräume hinausreicht. Egal, ob jemand beim Autofahren oder unter der Dusche nur für sich singt oder summend über den Lüneburger Wochenmarkt schlendert. Singen macht gute Laune und jeder Ton trägt zur Lebensfreude bei. In der Region Lüneburg gibt es zahlreiche Chöre mit unterschiedlichsten musikalischen Schwerpunkten. Vom klassischen Kirchenchor bis hin zu modernen Pop-Ensembles, jeder kann das Genre finden, das zu seiner Stimme passt. Auf der Seite des Kreis-Chorverbandes Lüneburg e.V. finden Interessenten unter dem Reiter „Mitglieder“ eine Liste mit vielen Chören und deren Ansprechpartnern in der Region: https://kcv-lueneburg.de/der-kreis-chorverband/mitglieder/. Offene Singveranstaltungen laden dazu ein, ganz unverbindlich in die Welt des Gesangs einzutauchen. In den vergangenen Jahren hat sich ein neuer musikalischer Trend entwickelt, der umgangssprachlich „Rudelsingen“ getauft wurde. Diese Veranstaltungsform hat in vielen Städten schon einen so großen Anklang gefunden, dass sie alle paar Wochen angeboten werden und häufig schnell ausverkauft sind. Beim offenen Singen für alle versammeln sich Menschen unterschiedlicher Gesangsfähigkeiten um eine Live-Band. Die Texte der Lieder werden auf großen Leinwänden angezeigt, so dass jeder mitsingen kann. Der Frontmann führt durch das Programm und motiviert die Sänger und Nicht-Sänger zum Mitsingen. Er sorgt für jede Menge Spaß, so dass die Teilnehmer mitgerissen werden. Dieses Format fördert das Gemeinschaftsgefühl und macht die Freude am Singen für jeden zugänglich.

Jeder kann singen

Singen ist eine Fähigkeit, die in jedem von uns steckt. Viele zögern, ihre Stimme zu erheben, aus Angst, sie könnten nicht gut genug sein. Doch im Chorgesang kommt es gerade auf die Vielfalt und das Zusammenspiel der Stimmen an, nicht auf perfekte Sololeistungen. In einem Chor verschmelzen die individuellen Stimmen zu einem harmonischen Ganzen, und oft ist kaum eine einzelne Stimme herauszuhören. Diese kollektive Dynamik macht den Chor zu einem idealen Ort für alle, die gerne singen möchten, sich aber vielleicht nicht trauen, allein im Rampenlicht zu stehen. Offene Singveranstaltungen oder Chorproben bieten eine wunderbare Gelegenheit, in einer unterstützenden Umgebung die eigene Stimme zu entdecken und die Freude am Singen zu erleben.

Das gemeinsame Singen im Chor endet nicht nur mit dem letzten Ton der Probe. Die positiven Effekte des Chorsingens, wie die verbesserte emotionale Balance und die erhöhte Lebensfreude, wirken weit über die Probezeit hinaus. Die positive Erfahrung macht Lust auf mehr. Kein Wunder, dass viele Menschen ihrem Chor jahrzehntelang treu bleiben und kaum eine Probe verpassen. (AW)

Foto: Pexels, Verena Rockholtz

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