In Radbruch kennt man sich

Als 2016 das Baugebiet Hofkoppeln II in Radbruch bebaut wurde, entstand eine WhatsApp-Gruppe der Bauherren. Hier fanden sich Gleichgesinnte und Leidgenossen. Genehmigte Anträge wurden gemeinsam bejubelt, Tipps ausgetauscht und manchmal im Kollektiv gewettert, wenn es beispielsweise darum ging, wann denn endlich die Straße gepflastert wird. Bei rund 70 Grundstücken fand nahezu an jedem Wochenende ein Richtfest statt, das gemeinsam gefeiert wurde. Als dann nach und nach alle Häuser bewohnt waren, wurde es ruhig. Zu ruhig, fand die neue Gemeinschaft. Seitdem finden Sommer-, Oktober- und Weihnachtsfeste statt, Freundschaften entstanden und jeder kennt jeden in den Hofkoppeln. Die WhatsApp-Gruppe lebt weiter für kleine Nachbarschaftshilfen, wenn beim Backen ein Ei fehlt, ein paar starke Hände benötigt werden oder ein Teddy auf der Straße sein Zuhause sucht.

Neu hinzugekommen ist im Dorf eine weitere WhatsApp-Gruppe zum Thema Nachhaltigkeit. Hier werden Pflanzen und Samen getauscht, Sachen verschenkt und Fahrgemeinschaften gefunden. Es gab einen regen Austausch darüber, wie man Waschmittel selbst herstellt. Und um es noch nachhaltiger zu machen, werden Großgebinde geteilt. Durch die Tipps und den Austausch entsteht eine Gruppendynamik, die zum Mitmachen anregt. Der nächste Schritt ist ein so genannter Fair-Teiler im Ort, in dem genießbares Essen geteilt wird.

Hier wird die Nachbarschaft gerockt

Dass die Corona-Pandemie nicht nur Schlechtes mit sich brachte, zeigt die Nachbarschaft am Brockwinkler Weg in Lüneburg. Im März 2020 entdeckte Adam Jaques ein Video, in dem Italiener auf ihren Balkonen miteinander musizierten. Er stellte eine Kerze und eine Musikbox in sein Fenster und beschallte die Nachbarschaft. „Ooooh, ich hab‘ solche Sehnsucht. Ich will zurück nach Westerland!“ Weitere Familien sangen mit. Das war quasi die Geburt der „Rockwinklers“, die sich fortan samstags um 18 Uhr zum Chor trafen. Adam gründete eine WhatsApp-Gruppe. Hier wurden Songtexte geteilt und Playlists geplant. Nachbarn brachten ihre Instrumente mit und es entstand sogar eine Straßenhymne nach einem Song der Beatles: „We all live in the Brockwinkler Weg“. Mit Ende der Pandemie schlief das wöchentliche Treffen ein, aber die gute Nachbarschaft bleibt. Um die 50 Leute in der WhatsApp-Gruppe helfen sich gegenseitig, leihen sich Geräte, schicken sich Urlaubsgrüße und warnen einander vor Autoknackern. Und weiterhin gibt es Straßenfeste, Flohmärkte und das obligatorische Weihnachtssingen im Dezember.

 

Gibt’s noch nicht? Gibt’s doch nicht!

Einfach anfangen! Dazu die Menschen ansprechen, zum Gruppenchat einladen und die Gruppe zum Leben erwecken. Wer wirklich Lust auf die gelebte Nachbarschaft hat, mit dem entwickelt sich was: Flohmärkte, offene Gärten, Empfehlungen, Feste und vielleicht auch neue Freundschaften.

Zeittauschbörsen

Was für den einen eine nervige Aufgabe ist, macht jemand anderes gern. Fenster putzen, Wäsche bügeln, Gartenarbeit, Regale an die Wand schrauben, Leuchten installieren oder das neue Smartphone in Gang bringen. In Zeittauschbörsen verfügt jeder über ein Zeitkonto, auf dem Punkte gutgeschrieben werden, die dann bei anderen Mitgliedern ausgegeben werden können. Beispiele, wie es funktionieren kann, gibt es hier: www.netzwerk-nachbarschaft.net/component/content/article/1223/ .

Vereinsleben

Nichts verbindet mehr als ein Verein. Ob beim Sport, in der Freiwilligen Feuerwehr, bei der Organisation von Blutspendeterminen oder im Skatclub. Alle nehmen an Treffen aus Nächstenliebe teil. Das verbindet und ist vor allem ein Garant für neue Kontakte für frisch Zugezogene.

Fair-Teiler für nachhaltige Nachbarschaften

In Lüneburg gibt es fünf und in Adendorf einen Fair-Teiler, in denen genießbare Lebensmittel weitergegeben werden. Wer sich in seiner Nachbarschaft ein Häuschen zum Tauschen wünscht, eine solidarische Landwirtschaft betreiben möchte oder das Projekt wie die Radbrucher erst einmal in einer Messenger-Gruppe starten lassen möchte, findet viele Informationen und Ideen unter www.foodsharing-staedte.org/de/stadt/lueneburg .

Wissen vermehrt sich durch Teilen

Hendrik hat eine Photovoltaikanlage auf seinem Dach installiert, Herr Prehn hat sein Arbeitsleben lang Gärten gestaltet, bepflanzt und gepflegt und Doris präsentiert ihren Debütroman. Wer sein Wissen teilen möchte, lädt zu einer Veranstaltung, Lesung, Vortrag oder Diskussionsrunde ein und teilt seine Tipps und Tricks. (AW)

Foto: AdobeStock_274407987-Von zinkevych

Gel(i)ebte Nachbarn
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