Siegfried Wagner-Kemper ist als Landschaftswart im Landkreis Lüneburg unterwegs
Mit wachen Augen durch die Natur streifen und mit den Menschen ins Gespräch kommen: Siegfried Wagner-Kemper hat sich den perfekten Job für den Ruhestand gesucht. Der 72-Jährige ist als Landschaftswart des Landkreises Lüneburg in den stadtnahen Naturschutzgebieten unterwegs. Im sechsten Jahr ist Siegfried Wagner-Kemper Landschaftswart im Landkreis Lüneburg. Seiner Einstellung durch die Untere Naturschutzbehörde war ein Bewerbungsverfahren vorausgegangen, bei dem Wagner-Kemper gute Chancen hatte: Als pensionierter Studiendirektor und Biologielehrer am Bernhard-Riemann-Gymnasium in Scharnebeck fühlt er sich der Natur verbunden und kann gut mit Menschen umgehen. Die Einsatzgebiete von Siegfried Wagner-Kemper und seinen Kollegen Burkhard Hoferichter und Andreas Moldenhauer sind die Naturschutzgebiete „Lüneburger Ilmenauniederung mit Tiergarten”, „Kalkberg” und „Hasenburger Mühlenbachtal“. Die Saison startet in der Regel im April und geht bis Ende September, in diesem Jahr begann der Einsatz der Landschaftswarte schon am 21. März.
Dienst nach Wetterlage
Wagner-Kemper und seine Kollegen machen sich auf den Weg, wenn erwartungsgemäß auch viele Ausflügler in die Natur gehen. Pro Person ist der Minijob auf 28 Stunden im Monat festgelegt. „Wann wir losgehen, können wir selbst entscheiden, je nach Wetterlage”, so Siegfried Wagner-Kemper, „aber der Schwerpunkt soll schon auf den Wochenenden und Feiertagen liegen.” Da es Ende März und im April noch nicht besonders warm war, war in den stadtnahen Naturschutzgebieten auch noch nicht allzu viel los, was sich bald ändern kann. Die Landschaftswarte, die an ihrer Dienstweste und dazu passender Tasche zu erkennen sind, haben die Aufgabe, in den Naturschutzgebieten aufzupassen, dass sich alle Besucherinnen und Besucher an die gebotenen Verhaltensregeln halten. Denn zu beachten gibt es zum Schutz von Tieren und Pflanzen einiges, und das ist nicht immer allen Gästen bewusst. Deshalb sind die Landschaftswarte auch dafür da, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, über Regeln aufzuklären und Fragen zu den Schutzgebieten zu beantworten. „Wir sind keine Truppe, die bestraft, sondern um Verständnis werben will”, erklärt Siegfried Wagner-Kemper. Verstöße wie das unerlaubte Betreten des Ilmenau-Ufers, das Verlassen der Wege, das Freilassen der Hunde von der Leine, Lärm oder das Anzünden von Feuer nehmen die Landschaftswarte auf und melden sie an ihren Arbeitgeber. Über Bußgelder entscheidet die Verwaltung. „Wir legen keinerlei Ordnungsgelder fest, dürfen aber Personalien abfragen”, so Wagner-Kemper. „Wir kennen zum Glück nicht einmal die Höhe der Bußgelder.” Bei Einsicht des Angesprochenen falle das Bußgeld jedoch geringer aus, weiß er. Über eine WhatsApp-Gruppe sprechen die Landschaftswarte ihre Arbeitszeiten ab. „Wenn es uns gelingt, sind wir an bestimmten Tagen wie Vatertag besser zusammen unterwegs – wenn mit Betrunkenen zu rechnen ist“, erklärt der Scharnebecker. Der Himmelfahrtstag sei der Tag, an dem es am meisten zu tun gebe, ebenso die Pfingsttage. Probleme mit uneinsichtigen Besuchern hatte Siegfried Wagner-Kemper in den vergangenen fünf Jahren jedoch nur ein einziges Mal. „Ich wurde bedroht von einer Person, die wild campiert hat”, erinnert sich der 72-Jährige. Da Personenschutz in seinem Job aber absoluten Vorrang habe, sei er in die Defensive gegangen. „Zweimal musste ich in dem Job schon die Polizei rufen. Dann ist die Einsicht doch schnell da.”
Müll bleibt liegen
Ein großes Problem in den Naturschutzgebieten sei der von den Besuchern zurückgelassene Müll, so Wagner-Kemper. Zwar gebe es Mülleimer, doch seien diese oft schnell überfüllt. „Es handelt sich meistens um Essensreste oder Verpackungen. Wir wirken darauf ein, dass die Besucher ihren Müll wieder mitnehmen, sonst stöbern auch Tiere wie Waschbären oder Raben in den Resten herum und zerfleddern alles”, so der Landschaftswart. Davon abgesehen sei das Grillen nirgendwo in den Naturschutzgebieten erlaubt. „Ich habe vor
Kurzem erst junge Leute dabei ertappt, wie sie ihren Grill anzünden wollten. Sie haben nur bedröppelt geguckt, aber viele sagen, das wusste ich nicht.” Auch dass das Verlassen der Wege nicht erlaubt sei, wüssten viele Spaziergänger nicht, so seine Erfahrung. Darauf habe er jüngst eine Besucherin hinweisen müssen, die im Wald Bärlauch suchte, andere pflückten den überall in Hülle und Fülle vorkommenden Löwenzahn – der im Naturschutzgebiet nicht gepflückt werden darf. „Wir machen die Leute in solchen Situationen aber nicht gleich zur Schnecke”, erklärt er. Auch Personen, die mit Kescher in der Ilmenau fischen, erwischt der Landschaftswart regelmäßig. „Wir erklären die Regeln und den Willen dahinter”, erläutert Wagner-Kemper. „Beim Stochern mit dem Kescher wird zum Beispiel eine seltene Bachmuschel gestört. Und der Zugang des Ufers ist nur an bestimmten Stellen erlaubt, weil unter den Überhängen Fischotter sein sollen. Wir versuchen immer den Sinn der gesetzlichen Bestimmungen zu erklären.” Die Reaktionen der Angesprochenen seien in der Regel positiv, so seine Erfahrung. „Viele finden es gut, dass es uns gibt und beklagen zum Beispiel die Saufgelage. Aber die können wir nur einschränken”, erklärt er. Laute Musik sei aber nur sehr selten ein Problem. Um abends mehr Präsenz in den Naturschutzgebieten zu zeigen, wollen Siegfried Wagner-Kemper und seine Kollegen künftig ihre Dienste so legen, dass vor allem an den Wochenenden abends immer ein Landschaftswart unterwegs ist. Hundehalter, die ihre Hunde nicht an der Leine haben, sprechen die Landschaftswarte regelmäßig an. Denn nicht nur während der Brut- und Setzzeit, die landesweit am 1. April begonnen hat, ist das Anleinen der Hunde im Naturschutzgebiet Pflicht – hier müssen die Vierbeiner das ganze Jahr an die Leine. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Hund schon alt sei oder nicht jage, erklärt Wagner-Kemper. Schon ein kurzer Ausflug in die Böschung oder in angrenzende Wiesen könne Vogeleltern von ihren Jungen verjagen, ein kurzes Schnuppern könne bei Junghasen zur Ablehnung durch ihre Eltern führen.
Immer mehr Stand-up-Paddler
Ob Hundehalter ihre Tiere wieder von der Leine lassen, wenn der Landschaftswart von der Bildfläche verschwindet, kann er natürlich nicht wissen. „Ich habe mir vorgenommen, zurückzugehen und mehr zu kontrollieren, besonders bei angeleinten Hunden”, so Siegfried Wagner-Kemper. „Wenn er ihn wieder von der Leine lässt, würde ich gar keinen Spaß verstehen.” In seiner Umhängetasche hat der Landschaftswart neben Schreibzeug auch Infoheftchen von der Deutschen Wildtierstiftung, die er gerne an Familien mit Kindern austeilt. „Es ist fast ein Glücksfall, wenn Kinder dabei sind”, meint er. Diese würden sich freuen, wenn er sein Wissen an sie weitergebe.
Zunehmend mehr Kontrollen seien an der Ilmenau notwendig, berichtet Siegfried Wagner-Kemper. Während Kanufahrer gewöhnlich von ihrem Kanuverleih auf die Verhaltensregeln im Naturschutzgebiet aufmerksam gemacht würden, könnten Stand-up-Paddler mit ihrem privaten Brett auf der Ilmenau unterwegs sein, ohne darüber Bescheid zu wissen. „Die Menge der Stand-up-Paddler hat sehr zugenommen”, hat er beobachtet. Nicht alle von ihnen wüssten, dass man sich auf dem Wasser nicht in Ufernähe aufhalten und herumspaddeln dürfe. „Es gibt nur einige Stellen, wo man anlegen darf. Wir brauchen mehr Schilder am Ufer, auf denen steht: Nur hier anlegen. Die sind in Arbeit”, sagt der 72-Jährige. „Wenn der Uferbereich runtergetreten wird, werden viele Lebewesen gestört – in Gefahr sind dann Liebellenlarven, Muscheln, aber auch der Eisvogel.”
Sorge machen dem Landschaftswart auch die Lebewesen am Kalkberg. Regelmäßig trifft er hier auf Besucher, die mit Stöckern in den Gewässern stochern. „Frösche, Molche und Kröten laichen da und werden dadurch dauerhaft gestört”, meint er. Das Problem sei hier wie auch andernorts, dass Trampelpfade manchmal nicht mehr von den wirklichen Wegen zu unterscheiden seien. Siegfried Wagner-Kemper ist in den Naturschutzgebieten meist zu Fuß unterwegs, manchmal mit seinem Hund, oft auch auf dem Fahrrad. „Ich genieße die Natur auch während des Dienstes, erfreue mich an Kleiber, Wiesenweihe oder Gänsen”, fasst er zusammen. Er schätzt die Gespräche mit den Spaziergängern, wobei ihm die Erfahrung im Umgang mit jungen Menschen und der Natur durch seinen Beruf zugutekommt. „Das ist das, was sehr viel Spaß macht – viele, viele Gespräche.” Es sei wichtig, dass er gesehen werde und die Informationen zum Schutz der Natur weitergetragen würden. „Deshalb sage ich allen: Erzählen Sie es weiter!” (JVE)
Foto. Landkreis Lüneburg