Käte Gudemann engagiert sich
in der Gesellschaft für Christlich-
Käte Gudemann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Judentum, liest gerne Bücher über jüdisches Leben, Israel und den Holocaust. Israel besuchte sie in den neunziger Jahren zweimal. Für ihren Ruhestand hat die 77-Jährige für sich ein passendes Ehrenamt gefunden: Seit 2015 ist die Lüneburgerin Mitglied in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.
Bis 2011 führte Käte Gudemann in Lüneburg einen Laden, in dem sie skandinavisches Kunsthandwerk und Erzgebirgskunst verkaufte. Als sie ihr Geschäft aufgab, nahm sie Kontakt zur Geschichtswerkstatt Lüneburg auf, für die sie sich einige Jahre ehrenamtlich engagierte. Doch noch mehr interessierte sie schließlich die Mitarbeit in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die mit der Geschichtswerkstatt oft kooperiert. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lüneburg (GCJZ) wurde am 14. Mai 1992 von der Lüneburger Pastorin Ela Griepenkerl gegründet, die bis einige Monate vor ihrem Tod im Juni 2023 für die Gesellschaft aktiv war. Die Lüneburger Gesellschaft ist Mitglied im Deutschen Koordinierungsrat, in dem 82 Gesellschaften zusammengeschlossen sind. In den Grundsätzen des Vereins heißt es, er setze sich „für Gespräche und Begegnungen zwischen Christen und Juden ein.” Die grauenvollen Untaten zur Zeit des Naziregimes dürften nicht vergessen, nicht verdrängt, nicht aufgerechnet oder gar verleugnet werden. So bemühe sich die Gesellschaft, die Erinnerung an das im Nationalsozialismus zerstörte jüdische Leben wachzuhalten und setze sich dafür ein, dass auch Jüdinnen und Juden in unserer Gesellschaft leben können. Weiter versuche die Gesellschaft, Kenntnisse über die reichen Schätze jüdischer Kultur und Religion, über jüdisches Leben, Denken und Handeln zu vermitteln. „Wir treten ein für Volk, Land und Staat Israel und für die friedliche Gestaltung der Beziehungen zwischen Juden und Arabern. Wir fordern ein Denken, das verbindet statt auszugrenzen, und wir weisen alle Tendenzen zu Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus und religiöser Intoleranz, die heute erneut den Frieden unter uns und in vielen Ländern weltweit bedrohen, zurück”, heißt es in den Zielen der Gesellschaft.
Keine jüdische Gemeinde
Für die Arbeit der Gesellschaft, die als Verein organisiert ist, gibt es gewisse Vorgaben. So sollten im Vorstand, dem Käte Gudemann auch angehört, mindestens ein Protestant, ein Katholik und ein Jude sein. Da Lüneburg keine jüdische Gemeinde hat, nicht immer leicht zu erfüllen. „Es war nicht immer ein Jude im Vorstand”, erinnert sich Käte Gudemann, die von insgesamt drei jüdischen Mitgliedern in der Gesellschaft weiß. Momentan hat der Verein 64 Mitglieder – so viele wie noch nie. „Durch die Neueröffnung der Synagogen-Gedenkstätte und die Bauphase auf dem Jüdischen Friedhof konnten wir mehr Mitglieder gewinnen”, erklärt sie. Durch die Veranstaltungen, die die Gesellschaft organisiert, kämen regelmäßig neue Menschen dazu – meist ältere. „Unser jüngstes Mitglied ist Mitte 50”, so Käte Gudemann. So sei auch der Vorsitzende Hans-Wilfried Haase bereits 80 Jahre alt und wolle im März 2024 abgewählt werden. Käte Gudemann ist in der Gesellschaft für das Archiv zuständig und wirkt bei der Planung von Veranstaltungen, Vorträgen und Lesungen mit. So soll ab Dezember jeden Monat eine Lesung stattfinden. Am Montag, 4. Dezember, 19:30 Uhr geht es in der St. Stephanus-Gemeinde in Lüneburg los mit dem Thema „Die Bibel verbindet – Jüdische und christliche Entdeckungen”. Außerdem hat sie einen Kalender mit selbstgezeichneten Bildern von jüdischen Häusern in Lüneburg herausgebracht, der auch in diesem Jahr wieder im Auftrag der Gesellschaft mit einer Stückzahl von 500 aufgelegt wird. Der zwölfköpfige Vorstand der Lüneburger Gesellschaft trifft sich jeden Montag im Libeskind-Bau an der Leuphana Universität. Die zwei Stunden Zeit, die sie jede Woche haben, reiche bei Weitem nicht bei den vielen Themen, so Käte Gudemann. So sei zwar in der Sitzung nach dem Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober ausführlich über die Geschehnisse geredet worden und eine Woche nach dem Terrorangriff habe die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit den Lüneburger Parteien zu einer Solidaritätskundgebung für Israel auf dem Marktplatz aufgerufen, an der knapp 300 Menschen teilnahmen. Weitere Unterstützungspläne für Israel gibt es jedoch noch nicht. „Wir waren alle sehr traurig – wir sind Israel sehr verbunden und waren fast alle schon da”, so Käte Gudemann.
Gedenkkultur in Lüneburg
Die Gründerin der Lüneburger Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Ela Griepenkerl legte damals den Grundstein für den christlich-jüdischen Dialog und eine Gedenkkultur in Lüneburg. So gehörte sie zu den Initiatorinnen der Veranstaltung „Shalom – willkommen in Lüneburg”, bei der 1995, 50 Jahre nach Kriegsende, die Stadt Lüneburg ehemalige jüdische Bürgerinnen und Bürger der Stadt und ihre Nachkommen eingeladen hatte und zu der rund 30 Gäste aus der ganzen Welt erschienen.
Auch durch Ela Griepenkerls Engagement stehen einige Ereignisse fest im Plan der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Da ist zum einen der 9. November, der Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938, an dem der Verein in diesem Jahr wieder zu einer Gedenkfeier mit Gottesdienst und anschließender Zusammenkunft am Synagogen-Mahnmal an der Reichenbachstraße/Ecke Am Schifferwall eingeladen hatte. Zusätzlich hatten am Abend der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, die Hansestadt Lüneburg, die Europäische Kantoren Konferenz und die Leuphana Universität Lüneburg zu einer großen Gedenkveranstaltung im Libeskind-Auditorium eingeladen, an der auch Star-Architekt Daniel Libeskind teilnahm. Ein weiterer Termin gegen das Vergessen ist der Tag der Auschwitzbefreiung, der internationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar, zu dem die Planungen im Verein laufen. Zudem nehmen Mitglieder der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit regelmäßig teil an Stolpersteinverlegungen in Lüneburg, die größtenteils die Geschichtswerkstatt organisiert.
45 Stolpersteine für Juden
Zuletzt am 28. Oktober war der Aktionskünstler Gunter Demnig wieder vor Ort, um in der Stadt acht Stolpersteine zu verlegen. Die mit einer Messingplatte versehenen Steine erinnern an Menschen, die in Lüneburg wohnten und Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden. So wurde jetzt unter anderem ein Stolperstein für den verfolgten Juden Henry Jacobson, dem das Kaufhaus „Gubi” gehörte, an der Ecke Bäckerstraße/Marktplatz verlegt. Jacobson konnte 1938 mit seiner Familie in die USA fliehen. Zwei weitere Stolpersteine wurden an der Haagestraße 2 für Mitglieder der jüdischen Familie Jacobsohn verlegt, die beide aus Lüneburg stammten. Hermann Jacobsohn wurde Professor in Marburg und nahm sich aus Verzweiflung, weil er seine Arbeit aufgrund der nationalsozialistischen Rassegesetze verlor, das Leben. Seine Schwester Martha Jacobsohn (verheiratete Meyer) zog nach ihrer Heirat nach Hannover und versuchte, sich mit ihrer Familie in den Niederlanden in Sicherheit zu bringen, wurde aber 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seit 2005 wurden in Lüneburg und Adendorf damit insgesamt 74 Stolpersteine verlegt, davon 45 für jüdische Menschen, weitere auch für Euthanasie-Opfer sowie für verfolgte Sinti und Roma. Für die Neugestaltung der Synagogen-Gedenkstätte an der Reichenbachstraße hatte sich seinerzeit ebenfalls die Pastorin Ela Griepenkerl eingesetzt, die 2013 in den Ruhestand ging. Pünktlich am 9. November 2018, 80 Jahre nach der Reichspogromnacht, wurde die neue Gedenkstätte in Lüneburg mit rund 250 Lüneburgerinnen und Lüneburgern und ihren Gästen feierlich eingeweiht. „Man wollte vernichten, was jüdisch war, jüdische Kultur zerstören, jüdische Namen auslöschen. Jetzt sind die Namen in Bronze gegossen“, sagte der Vorsitzende Hans-Wilfried Haase bei der Einweihung. Zurzeit konzentriert sich die Gesellschaft auf ein weiteres Projekt: die Sanierung der Trauerhalle auf dem Jüdischen Friedhof Am Neuen Felde, die durch Spenden ermöglicht wurde und fast abgeschlossen ist. Außerdem versucht man, den 1938 geschändeten und verwüsteten Friedhof wieder – soweit möglich – in den einstigen Zustand zurückzuversetzen. „Die verbliebenen Grabmale sind momentan willkürlich auf dem Friedhof verteilt. Nun wird mit Sonargeräten vermessen, wo die Gräber wirklich waren, um sie an ihren ursprünglichen Ort zu stellen”, berichtet Käte Gudemann. Außerdem sei man bei der Sanierung des Trauerhauses auf ein altes Tor des Jüdischen Friedhofs gestoßen, das nun wiederhergestellt werden soll. Für Projekte dieser Art sammelt Käte Gudemann für den Verein Spenden, die auch bei Lesungen und Vorträgen zusammenkommen. Die Gesellschaft ist dafür bei Veranstaltungen wie der Alten Handwerkerstraße des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt (ALA) vertreten.
Spenden für Veranstaltungen
Spenden benötigt der Verein auch, um bekannte Persönlichkeiten nach Lüneburg einladen zu können. „Je mehr Leute wir im Verein haben, umso mehr Geld haben wir für Veranstaltungen”, erklärt Käte Gudemann, „wir hatten schon tolle Personen in Lüneburg.” Die 77-Jährige würde gerne als Redner Michael Wolffsohn sowie Michel Friedman nach Lüneburg einladen. Obwohl die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit viele Pastorinnen und Pastoren im Ruhestand als Mitglieder hat, spielt hier nicht nur der Glauben eine Rolle, es geht auch um Politik, jüdisches Leben und Kultur. „In gewissem Sinne sind wir alle gläubig. Mein Glauben tendiert eher zum Judentum – Jesus ist für mich nicht Gott. Aber Christentum und Judentum können nicht getrennt werden”, stellt Käte Gudemann klar. Auch Ela Griepenkerl soll gesagt haben, sie könne sich ihr Christentum nicht ohne Judentum vorstellen. Es gehe beim Judentum nicht nur um den Glauben, meint Käte Gudemann: „Es ist schwierig zu sagen: Menschen jüdischen Glaubens – es sind einfach Juden.” Seit ihren Reisen nach Israel setze sie sich damit auseinander und beschäftige sich mit jüdischem Leben in Lüneburg. Der 77-Jährigen ist geläufig, dass die jüdischen Menschen in Lüneburg nicht als Juden auffallen wollen, und aus dem Bekanntenkreis hat sie bereits von antisemitischen Anfeindungen vor Ort gehört. „Meine jüdische Freundin geht momentan nicht zu Veranstaltungen, sie hat sich komplett zurückgezogen. Es ist doch wirklich traurig”, meint Käte Gudemann. Sie verweist auch auf die neue Webseite „Jüdisches Leben in Lüneburg”, ein Projekt von Museum Lüneburg, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Geschichtswerkstatt. Die Internetseite jüdisches-leben-in-lüneburg.de soll interessierten Personen, Nachfahren und Historikern im In- und Ausland die Möglichkeit bieten, sich über Menschen und Orte zu informieren. (JVE)