Jonas Korn engagiert sich bei der Initiative foodsharing Lüneburg

Seit Jonas Korn in Lüneburg lebt, engagiert er sich in verschiedensten Initiativen zum Klimaschutz. Vor sieben Jahren stieg der Aktivist bei der Initiative foodsharing mit ein, die sich das Retten und Verteilen von Lebensmitteln zur Aufgabe gemacht hat. Aufgewachsen in Bremen, kam der heute 30-Jährige nach seinem Bachelorstudium der Biologie in Münster 2015 für sein Masterstudium der Nachhaltigkeitswissenschaft nach Lüneburg. Hier traf er auf eine aktive Studierendenschaft. „Durch meine Kommilitonen habe ich mitbekommen, wie viele Initiativen es in Lüneburg gibt. Es ist toll, wie die Initiativen hier zusammenarbeiten”, meint er. Auch die Initiative foodsharing, die in Lüneburg damals noch in den Kinderschuhen steckte, lernte Jonas Korn durch Kommilitonen kennen. Foodsharing ist eine Initiative im deutschsprachigen Raum zur Rettung und Verteilung von Lebensmitteln. In der Vision eines nachhaltigen Ernährungssystems, für das sich foodsharing einsetzt, ist die Organisation überflüssig, da es Lebensmittelverschwendung gar nicht mehr gibt. Stattdessen tragen jeder Mensch und jedes Unternehmen dafür Sorge, dass produzierte Nahrung nicht vergeudet wird, sondern in dankbaren Mägen landet. Die Initiative foodsharing macht auf die Verschwendung in der Gesellschaft aufmerksam, wofür die Mitglieder Petitionen schreiben, in Kontakt mit Politikerinnen und Politikern treten, Interviews geben, demonstrieren gehen und täglich tonnenweise Lebensmittel in kooperierenden Betrieben retten. Denn das öffentliche Problembewusstsein zu dem Thema ist zwar deutlich gestiegen, doch immer noch werde mehr als ein Drittel der produzierten Lebensmittel in Deutschland verschwendet, so Jonas Korn.

Fairteiler ist ein Ort für alle

Die Plattform foodsharing.de ging vor gut zehn Jahren, am 12. Dezember 2012, online, foodsharing Lüneburg engagiert sich seit 2014 gegen die Lebensmittelverschwendung. Träger ist der gemeinnützige Verein foodsharing e.V., in Lüneburg ist die Initiative in Arbeitsgruppen untergliedert. Als Jonas Korn 2016 sein erstes foodsharing-Plenum in Lüneburg besuchte, nahmen nur eine Handvoll Leute teil – das hat sich sehr verändert. So sind inzwischen rund hundert „Foodsaver” in der Region Lüneburg im Einsatz, um in monatlich etwa 500 Einsätzen Lebensmittel zu retten. Dafür hat die Initiative zirka 30 feste Kooperationen geschlossen mit Betrieben wie Supermärkten, Bäckereien, Kitas, Grundschulen oder Restaurants, die ihre übriggebliebenen oder nicht mehr verwendbaren Lebensmittel an die Foodsaver, also Lebensmittelretter, abgeben. Die Foodsaver können diese unter anderem zu den offen zugänglichen „Fairteilern” bringen, von denen es in der Stadt Lüneburg fünf und einen weiteren in Adendorf gibt. Fünf der sechs Fairteiler sind in Kooperation mit Kirchengemeinden entstanden. Fairteiler sind öffentliche, gemeinschaftlich genutzte Orte, vier von sechs sind eine Art Gartenhäuschen, die mit Regalen und einem Kühlschrank ausgestattet sind. Jeder kann die hier deponierten Lebensmittel zu seiner privaten Nutzung mitnehmen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum der Lebensmittel kann dabei überschritten sein, nicht jedoch das angegebene Verbrauchsdatum. Der Großteil stammt aus Betrieben, doch alle Bürgerinnen und Bürger sind auch dazu angehalten, die Fairteiler mit übriggebliebenen Lebensmitteln zu bestücken, damit diese nicht schlecht werden oder weggeworfen werden. „Der Fairteiler ist explizit ein Ort für alle, wo man Lebensmittel hinbringen oder abholen kann”, erklärt Jonas Korn. „Manche bringen auch selbst geerntete Äpfel oder Zucchini zu den Hütten.”

Arbeit in Arbeitsgruppen

Wer sich bei foodsharing engagieren möchte, kann sich in einer der vielen Arbeitsgruppen einbringen, die sich über eine gemeinsame Webseite organisieren und koordinieren. Der eigene Arbeitsaufwand bleibt jedem selbst überlassen. Jonas Korn ist unter anderem für die Koordination einiger Betriebe zuständig. Bei der Gewinnung neuer Kooperationspartner für Lebensmittelspenden sind die Reaktionen der Unternehmen ganz unterschiedlich. „Es ist ein großer Vorteil, dass es foodsharing schon seit zehn Jahren gibt, man kann auf die bereits in die Wege geleiteten Kooperationen verweisen”, erzählt Jonas Korn. „Einige Betriebe sind sehr offen für unser Anliegen, bei anderen ist es schwierig. Inhabergeführte Supermärkte gehen in Lüneburg gut.” Bei Supermarktketten und Discountern hingegen müsse die Konzernspitze kontaktiert werden, was oft zu langen und zähen Verhandlungen führe. „Es laufen noch viele Kooperationsverhandlungen.”

 

Auch wenn foodsharing ebenso wie die Tafeln Lebensmittel verteilt, kommen sich die beiden Organisationen nicht in die Quere. „Deutschlandweit gibt es eine Kooperation mit den Tafeln. Lokal ist die Absprache so, dass wir die Lebensmittel nicht da abholen, wo die Tafel sie holt”, so Jonas Korn. Nur während der Betriebspause der Lüneburger Tafel – oder während der Tafel-Schließungen wegen der Corona-Pandemie – holen die ehrenamtlichen Helfer von foodsharing die Lebensmittel bei den Tafel-Kooperationsbetrieben ab. Auch übriggebliebenes Essen von der Tafel haben die Foodsaver schon für die Weiterverteilung abgeholt, denn, so erklärt der Ehrenamtliche: „Wir nehmen auch, was die Tafel nicht abholt, zum Beispiel Abgelaufenes und überreifes Obst.” Soweit es gehe, versuche man, mit der Tafel zusammenzuarbeiten, wobei der Zweck beider Initiativen unterschiedlicher Natur sei: „Die Tafel hat mehr den sozialen Zweck, foodsharing geht es um den Umweltaspekt. Das ergänzt sich gut.” Da die Essensabholung bei den Fairteilern anonymer verläuft als bei der Tafel, gebe es auch bedürftige Menschen, die aus Scham lieber das foodsharing-Angebot in der Stadt nutzen würden, so Jonas Korns Beobachtung. „Wir haben bei foodsharing zwar nicht primär einen sozialen Zweck, tragen teils aber dennoch in dieser Richtung bei. Es ist ja vom Prinzip her gut, dass die Lebensmittel genutzt werden.” Die Fairteiler im Lüneburger Stadtgebiet sowie der im Sommer 2021 eröffnete in Adendorf seien gut frequentiert, so Jonas Korn, der selbst in der Gemeinde Adendorf lebt. „Die Fairteiler sind zum Teil wie soziale Treffpunkte und werden von vielen Menschen genutzt. Ich finde total toll, dass dadurch fast nichts weggeschmissen wird.” Manchmal würden auch Hersteller aus der Region der Initiative ihre überproduzierten Lebensmittel in großen Mengen anbieten, erzählt der 30-Jährige. So seien erst vor Kurzem mehrere tausend Liter Haferdrink sowie vegane Fischstäbchen in Unmengen an den Fairteilern gut weggegangen.

Fenchelschwemme in Lüneburg

Eine besondere Lebensmittelrettung fand im November 2022 statt: Weil ein Bardowicker Landwirt zehntausende Fenchelknollen aufgrund einer kleinen Verfärbung im Handel nicht loswurde und sich an die Presse gewandt hatte, machten sich zahlreiche Aktivisten von foodsharing daran, die Felder selbst abzuernten und den Fenchel in den Fairteilern der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Auch die Lüneburger Tafel und ein Einzelhändler nahmen einen Teil der vom Handel verschmähten Knollen. „Es gab eine große Fenchelschwemme in Lüneburg”, erinnert sich Jonas Korn. Auch zwei Kartoffel-Nachernten bei einem Lüneburger Betrieb habe foodsharing schon durchgeführt, ergänzt er. Der Aktivist, der selbst vegan lebt, nutzt wie viele seiner Mitstreiter von foodsharing auch das Lebensmittelangebot aus den Fairteilern. „Es geht uns ja darum, dass nichts weggeschmissen wird. Wir sollten alle krumme Kartoffeln essen, statt dass Menschen, die verarmt werden, zum Resteessen gezwungen werden. Es wäre toll, wenn alle mitmachen und wir nicht mehr gebraucht werden.” Foodsharing setzt sich außerdem dafür ein, das Mindesthaltbarkeitsdatum abzuschaffen oder zu reformieren, da es für die Verbraucher zu missverständlich ist. „Es braucht ganz viel Informationsarbeit, so werden zirka 60 Prozent der Lebensmittel in privaten Haushalten entsorgt – aus unterschiedlichen Gründen”, meint Jonas Korn. So informiere foodsharing über diese Themen auch in den sozialen Medien sowie bei Aktionen in der Innenstadt oder an der Universität. Unterstützung gibt es auch von der Stadt Lüneburg: So hat auf seiner Sitzung Anfang Februar der Stadtrat entschieden, dass Lüneburg eine Motivationserklärung zur Unterstützung von foodsharing unterschreiben soll. Damit wird Lüneburg der 19. foodsharing-Ort in Deutschland. Gut hundert Personen engagieren sich aktiv bei foodsharing Lüneburg. Dazu gehört neben der Abholung und Auslieferung der Lebensmittel beispielsweise auch die Reinigung der Fairteiler-Hütten. Die Initiative arbeitet geldfrei und komplett ehrenamtlich. Damit das Abholen möglichst umweltfreundlich ablaufen kann, verfügt food-sharing Lüneburg über drei Lastenräder und mehrere Fahrradanhänger.

Fast nichts wird weggeworfen

Was auf Vertrauensbasis läuft, wird natürlich auch manchmal ausgenutzt. Zwar komme es selten vor, dass sich Personen mit einem Übermaß an Lebensmitteln bevorrateten, so Jonas Korn. Doch auch foodsharing hatte schon Pro-bleme mit Diebstählen, zumal die Fairteiler nicht bewacht werden. „Handfeger und Kisten werden immer mal wieder mitgenommen. Einmal wurde sogar ein Kühlschrank gestohlen – das war überraschend für uns alle”, erzählt er. Zwei Fairteiler werden nachts auch abgeschlossen, damit hier niemand übernachtet. „Dass solche Probleme vorkommen, ist erwartbar, aber insgesamt passiert erstaunlich wenig Negatives – viel weniger, als die meisten womöglich vermuten würden.“ Nicht zu jeder Tageszeit sind aufgrund von hoher Nachfrage in den Fairteilern Lebensmittel zu finden. „Wir können auf keinen Fall die Menschen versorgen – wir können nicht leisten, was die Tafel macht”, erklärt Jonas Korn. Dennoch sei es als klarer Erfolg zu sehen, dass nur die Lebensmittel übrigblieben, die wirklich verrottet oder schlecht geworden seien. (JVE)

  • Infos:   www.foodsharing.de,

   E-Mail lueneburg@foodsharing.network                  www.luenepedia.de/wiki/           Foodsharing

DAMIT WENIGER ESSEN IM MÜLL LANDET
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