Die Lüneburger Rettungssportlerin Lea Kötter ist

In Australien und Neuseeland fast ein Nationalsport, in Deutschland fristet er ein Nischendasein: der Rettungssport. Rettungssportlerin Lea Kötter von der DLRG Lüneburg wurde jetzt Sportlerin des Jahres.

Als Kind war Lea Kötter im Schwimmverein, doch das reichte ihr nicht. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung lernte sie schon als Kind den Rettungssport kennen, den der Vater eines Mitschülers trainierte. Nachdem sie das Schwimmabzeichen in Gold abgelegt hatte – eine Voraussetzung für den Rettungssport – begann sie im Alter von zehn Jahren mit der Sportart. Als Wettkampfsportart ist der Rettungssport darauf ausgelegt, dass die Rettungsschwimmer in Wettbewerben gegeneinander antreten. Hierbei werden entweder Rettungssituationen simuliert oder Rettungsgeräte wie die Rettungspuppe genutzt. In Deutschland gibt es Rettungssportgruppen hauptsächlich bei der DLRG. Da es ein weltweit einheitliches Regelwerk gibt, sind auch internationale Wettbewerbe möglich. In der DLRG Lüneburg betreiben rund 70 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aktiv den Rettungssport, von lokalen Bezirksmeisterschaften bis zu Europa- oder Weltmeisterschaften.

Im Ernstfall Leben retten

Laut DLRG Lüneburg entstand der Rettungssport aus dem Gedanken heraus, Menschen für den Wasserrettungsdienst zu begeistern, da gute und trainierte Rettungssportler auch gute Rettungsschwimmer sind, die im Ernstfall helfen können, Leben zu retten. Deshalb sind für die Athleten neben Kraft viel Ausdauer, Schnelligkeit und eine Beherrschung der verschiedenen Rettungsgeräte Voraussetzung für eine Konkurrenzfähigkeit im Wettkampf. Eingeteilt werden die Disziplinen in Schwimmbad- und Freigewässerdisziplinen, wobei es zahlreiche Einzel- und Mannschaftsdisziplinen gibt. Stand zu Beginn ihrer Rettungssport-Laufbahn für Lea Kötter nur einmal wöchentlich Training auf dem Plan, steigerte es sich mit dem Eintritt in die Wettkampfgruppe – doch auch hier gab es noch nicht viele Trainingszeiten. „Richtig durchgestartet bin ich dann zu Corona. Da habe ich versucht, superviel zu machen”, erzählt die 20-Jährige, die im vergangenen Jahr ihr Abitur am Gymnasium Oedeme gemacht hat. Da zu Beginn der Corona-Pandemie nicht viel möglich war, organisierte sich Lea für das Training benötigtes Material wie Rettungsski oder -kajak und Rettungsboard und ging damit auf die Ilmenau. Coronakonform trainierten sie zunächst zu zweit, für die Laufdisziplinen ging es in Oedeme auf die Laufbahn. „Das Problem ist, dass wir nicht so viele Trainer haben, der Sport ist einfach nicht so bekannt”, meint Lea Kötter. „Wir organisieren unser Training seit Corona selbstständig.” Inzwischen sind sie für das Training in einer Gruppe von acht Personen im Alter von 16 bis 28 Jahren organisiert, wobei die unter 18-Jährigen bei den Wettkämpfen als Junioren antreten und die ab 18-Jährigen in der offenen Altersklasse. Um für die Freigewässerdisziplinen zu trainieren, eignen sich die Ilme­nau und auch Nord- oder Ostsee nicht hinreichend. Denn es geht auch um Geschick und Gleichgewicht bei Wellengang. „Die Ilmenau ist flach und ohne Wellen. Deshalb war ich im Februar in Südafrika, um Wellenerfahrung zu sammeln”, berichtet die 20-Jährige. „Viele Wettkämpfe finden auch in Spanien oder Frankreich statt, aber die Ostsee kommt an die Bedingungen selten ran – und die Nordsee ist wegen der Gezeiten schwierig.” Das sei auch der Grund, warum der Rettungssport in Ländern wie Australien, Neuseeland und Südafrika, aber auch in Frankreich, Spanien und Italien so populär sei, in denen viele Menschen am Meer leben würden.

EM-Medaillen 2023

Schon als Juniorin qualifizierte Lea Kötter sich für die Junioren-Nationalmannschaft und konnte bei der Europa- und Weltmeisterschaft mit antreten. Im vergangenen Jahr schaffte die Lüneburgerin es sogar in der offenen, durch die größere Konkurrenz härteren Altersklasse in die deutsche Nationalmannschaft – die aus sechs Männern und sechs Frauen besteht. Mit dem Nationalteam brachte sie von der EM mehrere Top-Ten-Platzierungen sowie mehrere Medaillen und zwei Titel mit nach Hause. Außerdem wurde die Lüneburgerin beim internationalen DLRG Cup 2023, an dem 39 Teams teilnahmen, zweite in der Gesamtwertung und belegte den ersten Platz bei der aus drei Wettkampftagen bestehenden Trophy-Serie, bei der 35 Teams am Start waren. All diese Erfolge führten dazu, dass sie als Sportlerin des Jahres von Stadt und Landkreis Lüneburg nominiert und schließlich auch gewählt wurde.

 

Der Rettungssport besteht aus zahlreichen Disziplinen, für die regelmäßiges Training unerlässlich ist. Lea Kötter konzentrierte sich in dem Jahr nach ihrem Abitur vor allem auf den Sport, was sich ab Herbst ändern könnte, denn dann möchte die 20-Jährige in einer anderen Stadt anfangen zu studieren – Mathe und Sport auf Grundschullehramt. Im Rettungssport mag sie besonders die Laufdisziplinen sowie die Disziplinen mit Ski oder Board. Die Lüneburgerin trainiert momentan in 13 bis 15 Einheiten, das sind mindestens 15 bis 20 Stunden Training pro Woche. Dazu gehören auch Sprinteinheiten als Lauftraining, hinzu kommt privates Krafttraining im Gym. Die Rettungssportlerin trainiert sowohl im Verein als auch privat. Bei der DLRG Lüneburg ist es üblich, dass die erfahreneren Sportler den anderen etwas beibringen. Auch Lea Kötter konnte besonders von zwei Personen sehr viel lernen. „Ohne Benedikt Kiewel, der ursprünglich von einem Kajakverein kam, hätte ich das alles nicht geschafft. Auch Lucas Vogler habe ich viel zu verdanken”, erzählt Lea Kötter. „So jemanden braucht es im Verein, ich hatte mit 16 noch gar keine Ahnung.” Auch die DLRG Lüneburg hat damit umzugehen, dass viele junge Sportler für Ausbildung, Studium oder Arbeitsplätze wegziehen. Einige würden dann nur noch an den Wochenenden kommen und an Wettkämpfen teilnehmen, erzählt Lea, die den familiären Umgang im Verein zu schätzen gelernt hat. „Wir sind alle sehr freundschaftlich miteinander, man sieht sich immer wieder. Und es ist einfach eine Teamsportart: Man fährt als Team hin und erlebt eine coole Teamdynamik.” Ihr schwebt vor, wenn sie Lüneburg verlässt, Material mitzunehmen und selbst zu trainieren und sich eventuell einen Lauf- oder Kajakverein zu suchen. Denn: „Es gibt nicht sehr viele Vereine, die Rettungssport betreiben.”

Ziel WM in Australien

Leas nächstes großes Ziel ist die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Australien im September, wofür sie über Pfingsten mit fünf anderen Sportlerinnen und Sportlern aus Lüneburg für eine Woche ins französische Montpellier gereist ist. „Bei der Quali werden die Deutschen unter sich verglichen, es gibt nur sechs Plätze und viele Disziplinen”, erzählt die Sportlerin. Die WM-Nominierung wird Anfang Juni bekanntgegeben. Bei den Wettkämpfen kommt es nicht nur auf die persönliche Verfassung an, auch die äußeren Bedingungen müssen stimmen. „Es hängt viel von dem Moment ab. Zum Beispiel kann die Welle im falschen Moment brechen, da kann man nichts für. Es muss einfach laufen”, erklärt die Sportlerin. Auch wenn der Sport ursprünglich daran angelehnt ist, im Notfall als Rettungsschwimmerin jemanden retten zu können, jobbt Lea zurzeit nicht als Rettungsschwimmerin. „Ich habe mal im Salü gearbeitet, aber wenn man für die DLRG als Strandwache arbeiten würde, wäre das ehrenamtlich”, erklärt sie. Die Zeit nutze sie jedoch lieber zum Trainieren. Um ihren Sport weiter ausüben zu können, müssen alle Rettungssportler alle drei Jahre ihren Rettungsschwimmschein Silber auffrischen. Lea Kötter erhofft sich von ihrer Ehrung als Sportlerin des Jahres mehr Aufmerksamkeit für ihre Sportart, auch sie trainiert bereits die 15- und 16-Jährigen im Freigewässer. „Wir freuen uns immer, wenn Neue dazu kommen. Wir müssen ja auch Teams zusammenbekommen”, sagt sie. „Der Sport besteht aus vielen Disziplinen und ist super vielfältig, das ist das Coole daran.” Außer Spaß und etwas Zeit müsse man nichts mitbringen. Anfangen kann man mit zehn bis zwölf Jahren. „Die meisten kommen über das Schwimmen – aus dem Goldkurs in die Wettkampfgruppe”, erklärt sie. Trainiert wird dienstags und freitags im Sportbad in Lüneburg, die Hallenzeiten sind unter den Vereinen hart umkämpft. Auch wenn Lea Kötter die Stadt Lüneburg fürs Studium verlassen will, ist das Beenden des Rettungssports für sie unvorstellbar. „Der Sport gibt mir so viel, ich will nicht komplett aufhören. Das bekommen viele Studenten gut hin.” Im Sommer sind fast jedes Wochenende irgendwo Wettkämpfe, ab Herbst beginnen die Poolwettkämpfe. Doch das Hauptziel von Lea ist klar: „Ich möchte dieses Jahr nach Australien, die Leute haben da mehr Know-How.” (JVE)

Foto: DRK/Daniel-Andrè Reinelt

 

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