Warum wir Kuscheltiere brauchen

In nahezu jedem Kinderzimmer wohnt ein Zoo voller Kuscheltiere. In Feuerwehrautos fahren immer welche mit, und im Kinderkrankenhaus finden sie bei den Patienten neue Besitzer. Auch wenn die Beziehung einseitig ist, sind Plüschtiere, Puppen und Schmusetücher wichtig für Kinder – und oft auch für Erwachsene.

Wie wichtig ein Kuscheltier für Kinder ist, wird klar, wenn es verloren geht. Dann wird das Haus auf den Kopf gestellt, gegrübelt, besuchte Freunde und Verwandte abtelefoniert und auf Facebook gefahndet. Heilerzieherin und Mutter von zwei Kindern Nina Maier aus Radbruch erzählt: „Ich habe schon für viele Kuscheltiere den Tisch mit gedeckt, ihnen etwas zu Essen hingestellt und das Aua vom aufgeschürften Knie gepustet.“ Die Lüneburger Diplom-Sozialpädagogin Silke Ernst rät Eltern: „Spielen Sie mit! Es wird Ihnen guttun. Die Kreativität wird gefördert, und Sie bekommen Zugang zu Ihrem eigenen inneren Kind. Oft haben Eltern Angst, dass die Kinder unnormal sind. Das sehe ich nicht so. Sie brauchen nicht ein Flugticket für den Teddy mitzukaufen. Aber lassen Sie ihn doch einmal durch das Kind von seinem Tag erzählen. Die Beziehung zwischen Kind und Kuscheltier ist wie ein Spiegel. Sie können eine Menge über  Ihren Sprössling erfahren.“ Die Tiere sind für die Kinder Leidensgenossen. Dadurch sind die Kinder nicht so allein. Auch, wenn sie abends von den Eltern getrennt im Bett sind. Dann werden sie zum Sorgenfresser oder Kompensator. Manche Teddys werden liebevoll umsorgt, weil die Kinder es so zu Hause erfahren oder weil sie sich wünschen, so behandelt zu werden. Andere Plüschtiere dienen als Emotionsregularium. Sie werden von den Kindern ausgeschimpft und fliegen auch schon mal gegen die Wand.

 

Meistens sind die Tiere weich und haben große Augen. Aber es kommt überhaupt nicht auf die Schönheit an. Schaut ein Tierchen eher traurig drein, weckt das den Beschützerinstinkt in den Kindern. Hier werden sie mit ihrer Fürsorge am dringendsten gebraucht. Musste die Maus schon geflickt werden oder fehlt das Schwänzchen? Egal, wie abgeliebt sie ist, sie bleibt die Nummer eins.

 

Mit Beginn der Pubertät wandern die Tiere vom Bett aufs Regal. Die Kinder werden groß und meinen, sie brauchen ihren Gefährten nicht mehr. Silke Ernst weiß aus Coachings mit Jugendlichen: „Eigentlich ist es ihnen nur peinlich, und wahrscheinlich rutscht der eine oder andere Teddy abends schon noch mal vom Regal ins Bett. Besonders, wenn den Jugendlichen etwas auf dem Herzen liegt.“ Oft werden die Tiere kompensiert. Freunde übernehmen die Rolle, Wut wird beim Sport rausgelassen und Einsamkeit mit lauter Musik übertönt.

 

Erwachsene suchen sich oft Ersatz bei echten Haustieren. Die können wieder verhätschelt werden, dürfen mit im Bett schlafen, und im Restaurant erntet man keine zweifelnden Blicke, wenn der Hund mit am Tisch sitzt anstelle des Teddys. Trotzdem sitzen meist überdimensionierte Plüschtiere in Wohnungen oder Autos von Erwachsenen. Auf die Frage: „Kathrin, wer ist denn das auf deinem Beifahrersitz?“ kommt nur die knappe Antwort: „Das ist Oskar.“ Wie selbstverständlich fährt Oskar seit 2012 mit, als Kathrin ihn auf dem Hamburger Dom beim Loseziehen gewonnen hat. Noch häufiger findet man Glück bringende Löwen, Mäuse oder Bienen am Schlüsselbund. So ganz ohne Kuscheltier kann und will wohl niemand sein… (AW)

 

Nina Maier, Heilerzieherin aus Radbruch:

„Meinen Teddy habe ich geschenkt bekommen, als ich noch ein Kleinkind war. Noch immer schläft er in meinem Bett und kommt mit auf Reisen. Auch als ich mit 25 Jahren für ein Jahr in Amerika war, musste tEddy mit. Wenn meine Kinder mal nicht schlafen können, leihe ich ihnen den Teddy aus. Aber wenn ich ins Bett gehe, kommt er wieder mit zu mir.“

Steffen Lippek, Notfallsanitäter und seine Kollegen Julian und Palies vom DRK Kreisverband Lüneburg:

„In den Rettungswagen warten Teddys auf kleine Patienten. Das erleichtert die Untersuchung, wenn die Sanitäter überprüfen, ob das Kind das Kuscheltier direkt anschaut und zugreifen kann. Aber natürlich tröstet es auch und darf mit nach Hause genommen werden.“

Silke Ernst, Kinder- und Jugendcoach aus Lüneburg:

„Die Kuscheltiere werden lebendig für die Kinder. Sie werden betüddelt, gehegt und gepflegt. Zwischen ihnen besteht eine ganz innige Beziehung.“

Foto: pixabay

Seelentröster aus Plüsch
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