Oliver Buss sammelt und spielt mit Leidenschaft Gesellschaftsspiele

Oliver Buss weiß, dass ihn viele für einen Nerd halten. Und irgendwie kann er das auch verstehen. Der 49-Jährige sammelt und spielt leidenschaftlich gern Gesellschaftsspiele.Eine Sammlerleidenschaft hatte Oliver Buss schon immer. Waren es früher zunächst Comics und später Schallplatten, sind es heute Spiele, die er sammelt. Ausgelöst wurde seine Begeisterung für Brettspiele aller Art durch seinen heute 13-jährigen Sohn. Als der in ein Alter kam, in dem Gesellschaftsspiele für ihn spannend wurden, suchte Oliver Buss nach neuen Spielideen. Das war vor fünf Jahren. Er wollte nicht immer nur „Mensch ärgere Dich nicht“, „Halma“ oder „Monopoly“ spielen. Seine Internetrecherche eröffnete ihm neue Welten. „Da habe ich erst festgestellt, was für großartige Spiele es gibt“, erinnert er sich. Er vertiefte sich immer mehr in Rezensionen von Spielen – und stieß auf eine große Community von Personen, die sich mit Gesellschaftsspielen beschäftigen. „Es gibt auch jede Menge Leute ab Mitte Zwanzig, die lieber echte Brettspiele spielen als digitale“, meint Oliver Buss. Der persönliche und direkte Kontakt zu anderen ist auch das, was er an Gesellschaftsspielen schätzt. „Ich habe einmal versucht, ein Spiel am Computer zu spielen. Aber das war nichts für mich, das stresst mich zu sehr.“ Während er in den ersten Jahren auch viele Spiele mit seinem Sohn spielte und ausprobierte, interessieren sie den 13-Jährigen seit ein paar Monaten inzwischen weniger – er versucht sich inzwischen mit „Warhammer“ am Rechner. Hatte Oliver Buss zunächst hauptsächlich Spiele gekauft, um sie mit seinem Sohn zu spielen, spielt er inzwischen vor allem Spiele, die ab dem Jugendalter geeignet sind. In den ersten zwei Jahren schaffte sich der 49-Jährige bis zu vier neue Spiele im Monat an. „Die ersten Jahre waren wirklich nerdmäßig“, erinnert er sich, „da habe ich richtig viel Geld ausgegeben.“ Inzwischen hat die Sucht, jedes Spiel haben zu wollen, nachgelassen, und Oliver Buss hat bereits erste Spiele wieder verkauft – andere kauft er auch aus zweiter Hand, um nicht allzu viel Geld auszugeben. Wurden Spiele in geringer Auflage produziert und sind vergriffen, kann ihr Preis schon mal in schwindelerregende Höhen steigen.

Jeder braucht 
einen Spiele-Grundstock

Oliver Buss ist der Meinung, einen Grundstock an Spielen sollte jeder Spielbegeisterte haben. Wenn er „Grundstock“ sagt, meint er 50 Spiele – bei ihm sind es zurzeit rund 150 Spiele, die er in Schränken und Regalen in Schlafzimmer, Küche und Keller aufbewahrt. Und es waren auch schon mal mehr, denn 30 bis 40 Spiele hat er bereits verkauft. „Wenn mich was richtig interessiert, kümmere ich mich ganz intensiv darum“, sagt Buss zu seiner Verteidigung. Viel Zeit brachte und bringt er damit rum, Beschreibungen und Rezensionen von Spielen im Internet zu lesen. Doch was soll man mit Gesellschaftsspielen, wenn die passende Gesellschaft zum Spielen fehlt? Oliver Buss, der in Hamburg aufgewachsen ist und danach vier Jahre in Tönnhausen lebte, machte sich auf die Suche nach einer Spielgruppe, als er vor zwei Jahren nach Lüneburg zog. Auch in Tönnhausen hatte er zuvor eine Spielerun- de gehabt. In Lüneburg traf er auf Gleichgesinnte, und so trifft er sich regelmäßig mit drei anderen Männern im Alter von 30 bis 50 Jahren zum Spielen. Ein Spiel muss für Oliver Buss einige Kriterien erfüllen, um ihn anzusprechen. „Das Spiel muss nicht nur gut sein, es muss mir auch optisch und haptisch gefallen“, sagt der 49-Jährige, das bringe schon sein Beruf als Graphiker mit sich. So müsse es übersichtlich sein und die Optik müsse mit dem Thema zusammenpassen. „Ich möchte in das Spiel gezogen werden“, sagt er. Außerdem seien Holz-Spielfiguren grundsätzlich ansprechender als Plastikfiguren. „Es gibt auch Freaks, die die Spielfiguren nur mit Handschuhen anfassen, aber dazu gehöre ich nicht“, erklärt er.

Gewinnen
 durch geistige Leistung

Oliver Buss und seine Mitspieler haben aber noch einen ganz anderen Anspruch an ein gutes Spiel: Sie wollen immer wieder aufs Neue gefordert wer- den und durch geistige Leistung ein Spiel gewinnen. „Brettspieler wollen, dass nicht das ganze Spiel durch Glück entschieden wird.“ Das sei auch der Grund, warum er Spiele wie „Monopoly“ grundsätzlich nicht mehr spiele. Wer als Erwachsener leidenschaftlich gern Gesellschaftsspiele spielt, gilt schon als Sonderling, das weiß auch Oliver Buss. Seine Arbeitskollegen in einem Hamburger Verlag wissen von seinem Hobby, und es gibt auch dort einige, mit denen er sich durchaus zum Thema Spielen austauschen kann. „Trotzdem wird es so ungern ausgesprochen, dass man als Erwachsener Brettspiele toll findet“, meint er. „Dem haftet etwas Kindisches an, was es aber definitiv nicht ist.“ Zu viele Leute würden sich schämen – was aber nur daran liege, dass man beim Thema Spielen immer gleich an Kinderspiele denke. Dabei ist die Bandbreite an Gesellschaftsspielen nicht zu überschauen. Spielekategorien gibt es zahlreiche, Oliver Buss unterscheidet in Familienspiele wie „Zug um Zug“ oder „Camel Up“, Spiele für zwei wie „Der Ringkrieg“ oder „Hive“, Strategiespiele für Vielspieler wie „Agricola“ oder „Village“, Thematische Spiele wie „Runewars“ oder „Eclipse“, Kartenspiele wie „Dominion“ oder „Wonders“, Partyspiele wie „Dixit“ oder „Tabu“, Kooperations- oder Solospiele wie „Robin- son Crusoe“ oder „Pandemie“, Interaktionsspiele wie „Bohnanza“ oder „King of Tokio“ und 4X-Spiele – das „4X“ steht für Exploration, Expansion, Exploitation und Extermination, übersetzt Auskundschaftung, Ausbreitung, Ausbeutung und Auslöschung – wie zum Beispiel „Twilight Imperium“.

Jede Woche ein anderes Spiel

In ihrer Spielerunde spielen Oliver Buss und seine Mitstreiter fast jede Woche etwas Anderes. „Dabei gibt es ’ne Menge guter Spiele, die besser werden, je häufiger man sie spielt“, meint er. Zu seinen Favoriten gehören die Spiele „Troyes“, „Dominant Species“, „Dominion“ oder „Funkenschlag“. Bevor er sich ein Spiel kauft, liest er nicht nur Rezensionen, er schaut sich auch Videos und Fotoreihen mit Erklärungen an. Viele Leute scheuen davor zurück, ständig neue Spiele mit komplizierten Regeln zu lernen. Das ging auch Oliver Buss anfangs so. Inzwischen versteht er das Regelwerk recht schnell – nicht zuletzt, weil viele Spiele einander doch ähnlich sind und sich oft nur durch Feinheiten unterscheiden. „Man vergleicht mit den Spielen, die man schon kennt“, erklärt der Sammler. Und er ist in letzter Zeit kritischer geworden. Die Einstellung „Haben, haben, haben“ ist vorbei, eine gewisse Sättigung ist eingetreten. „Es kommen eben nicht jedes Jahr ganz tolle neue, bahnbrechende Brettspiele heraus.“ Deshalb kann er sich vorstellen, sich nicht mehr so oft neue Spiele anzuschaffen, sondern lieber einige aus dem Bestand zu wiederholen. „Der Sammelwahn ist erst- mal befriedigt“, so Buss. „Und durch Erfahrung bin ich jetzt auch anspruchsvoller geworden.“ Auch wenn der Spielesammler und seine Freunde jedes Spiel auf Herz und Nieren testen, bevor sie es sich anschaffen, kann es vorkommen, dass es sich bei der Spielerunde als Flop erweist. „Ein Spiel darf zum Beispiel nicht haken. Wenn der Spielfluss verzögert ist, geht der Spaß verloren.“ Auch kann es vorkommen, dass noch mal gespielte Spiele sich als langweilig erweisen, weil der Ablauf immer der Gleiche ist. Doch Fakt ist: Ob die Mechanik gut funktioniert, merken Oliver Buss und die anderen Spieler recht schnell. Hätten Oliver Buss und seine Mitspieler mehr Zeit, würden sie mit Sicherheit noch mehr zusammen spielen. Doch Arbeit, Familien und Kinder erfordern eben auch Zeit – die Recherche ebenso. Selbst die abendliche Spielerunde reicht manchmal nicht aus, um bestimmte, besonders lange Spiele zu spielen. Ein Beispiel ist das Spiel „Twilight Imperium“, das schon mal acht bis zehn Stunden dauern kann. „Deshalb will das kaum einer spielen“, so Oliver Buss. Genauso ungünstig sind so genannte „Grübler“ in Spielerunden, für Oliver Buss klare Spieletöter. Aus seinen Spielerunden in Winsen erinnert sich Buss noch gut, wie nervtötend es sein kann, einen Grübler am Tisch zu haben, der jeden Zug so gut planen will, dass alle anderen nur noch Däumchen drehen – und anfangen sich zu langweilen. Langeweile scheint auch bei vielen Frauen aufzukommen, die sich mit dem Thema Gesellschaftsspiele auseinandersetzen. Oliver Buss hat bisher kaum eine Spielerunde mit einer Frau erlebt, und er glaubt, dass Frauen auch nur durch ihre Männer zum Spielen kommen würden. „Und es gibt viele Spiele, die Frauen einfach nicht ansprechen“, fügt er hinzu. (JVE)

 

 

 

 

Er will doch nur Spielen
Cookie Consent mit Real Cookie Banner