
Harald Gülzow hat privates Brunnenwasser aus dem Landkreis Lüneburg untersucht
Gewässer sind das Steckenpferd von Harald Gülzow. Der Diplom-Physiker und ehemalige Gymnasiallehrer engagiert sich schon seit 40 Jahren für den Gewässerschutz. Für die gemeinnützige Organisation VSR-Gewässerschutz hat er Brunnenwasserproben aus dem Landkreis Lüneburg aus sechs Jahren ausgewertet.
Harald Gülzow hat lange am Gymnasium Mathe, Physik, Informatik und Technik unterrichtet. „Die leichten Fächer”, wie er meint. Der gebürtige Berliner ist bei Kassel aufgewachsen, wo er auch Physik studierte. Zum Arbeiten zog er später ins Ruhrgebiet. Heute lebt der 70-Jährige im nordrhein-westfälischen Geldern im Landkreis Kleve. Hier ist auch der Standort des Vereins VRS-Gewässerschutz, für den sich Harald Gülzow seit 1984 engagiert. Nach 16 Jahren ehrenamtlicher Mitarbeit ist er inzwischen hauptamtlicher Mitarbeiter des Vereins. Während des Winters verfügt die Organisation über fünf Festangestellte, im Sommer hat sie wegen des höheren Arbeitsaufkommens zehn Mitarbeiter.
Die gemeinnützige Organisation VSR-Gewässerschutz hat ihren Ursprung am Rhein. Hier rief in den siebziger Jahren die extreme Belastung des Flusses immer mehr Bürger auf den Plan, sich aktiv für die Gewässerreinhaltung zu engagieren. Es entstanden vielerorts Bürgerinitiativen, die schon früh erkannten, dass sich durch eine enge Zusammenarbeit genügend politischer Druck für eine verbesserte Gewässerschutzpolitik erreichen lässt. 1980 charterte ein Zusammenschluss verschiedener Bürgerinitiativen aus Deutschland und anderen Rheinanliegern ein Schiff, stattete es mit einem Labor aus und ging auf eine erste Suche nach Verschmutzern am Rhein. Von Basel bis Rotterdam wurden Proben genommen und analysiert, die aktuellen Ereignisse veröffentlicht und daraufhin der Dialog mit der Öffentlichkeit, den Politikern und Verschmutzern gesucht. 1981 wurde ein Passagierschiff gekauft und mit einem Labor ausgestattet, um diese Fahrten regelmäßig zu machen. Um den Unterhalt des damals einmaligen Laborschiffes zu gewährleisten, wurde der „Verein zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse”, kurz VSR, gegründet.
Unterwegs
mit dem Labormobil
Um auch an anderen Flüssen aktiv zu sein, kaufte der Verein 1984 einen Lkw und stattete ihn mit einem Labor aus, weitere Labormobile folgten. Ab dann war Informationsarbeit auch in den Städten möglich. Die Verursacher für Gewässerprobleme haben sich seit den siebziger Jahren grundsätzlich gewandelt. Während die Ursache früher noch die mangelnde Reinigung der eingeleiteten industriellen und kommunalen Abwässer war, so diskutiert man heute verstärkt mit den Landwirten, den Gärtnern und den Verbrauchern. So hat sich die Belastung zu den diffusen Quellen verschoben, das heißt, sie kommen durch das den Flüssen und Bächen zuströmende Grundwasser und Regenwasser zustande.
Im Jahr 2003 entschied man sich, das Arbeitsgebiet des Vereins räumlich neu zu bestimmen. Sah man 1980 noch den Rhein, den Fluss vor der eigenen Tür, als schützenswertes Objekt, so wird jetzt wesentlich weiter geblickt. Deshalb wurden die Einzugsbereiche der Nord- und Ostsee als neuer geographischer Rahmen für die Arbeit definiert. So sind die Aktiven des Vereins seitdem in fast allen deutschen Regionen anzutreffen.
Eine Hauptarbeit des Vereins sind Wasseranalysen. Auf ihrer Grundlage können der Zustand des Grundwassers bewertet und gesundheitsgefährdende Belastungen erkannt werden. Durch eine intensive Landwirtschaft kann das Grundwasser zum Beispiel durch Nitrat und Pestizide belastet sein. Ist der Verein mit seinem Labormobil in den Städten unterwegs, sind die Informationsstände beliebt, denn VSR-Gewässerschutz bietet auch Untersuchungen von privatem Brunnenwasser an, das vor Ort abgegeben werden kann. So kann jeder Informationen über die Qualität des eigenen Brunnenwassers erhalten.
Ergebnisse aus sechs Jahren
Nachdem auch Harald Gülzow schon oft mit dem Labormobil in der Republik unterwegs war, agiert er inzwischen mehr von der Geschäftsstelle des Vereins aus, wo es Büroräume und ein Labor gibt. Als Rentner ist er zunehmend für die Organisation der jährlichen Aktionen und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Im Landkreis Lüneburg war das Labormobil der Organisation VSR-Gewässerschutz in den Jahren 2019 bis 2024 alle zwei Jahre zu Besuch, und zwar neben der Stadt Lüneburg auch in Bleckede und Reppenstedt. Nach sechs Jahren wurden nun die Ergebnisse der Brunnenwasseranalysen aus dem Landkreis Lüneburg veröffentlicht. „Wenn man etwas aussagen will, braucht man ein zeitliches Spektrum”, erklärt der Physiker. „Jedes Jahr ist wegen des Wetters anders, deshalb hat man sechs Jahre gewählt.” 112 Wasserproben aus dem Landkreis hat Harald Gülzow auf Belastungen mit Nitrat, Eisen und Bakterien untersucht. Bei der Auswertung stellte er fest: Noch immer ist die Nitratkonzentration im Grundwasser zu hoch. „14,6 Prozent der Brunnen überschreiten bedauerlicherweise den Grenzwert der Nitratrichtlinie von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser. Besonders alarmierend ist, dass 3,4 Prozent der Brunnen sogar über 100 Milligramm pro Liter lagen”, erklärt er. Das Problem: Bestimmte Gemüsesorten wie Blattsalat, Radieschen, Spinat und Rettich würden besonders viel Nitrat aufnehmen, wenn hohe Konzentrationen im Boden seien. Neben stickstoffhaltigem Dünger erhöhe auch das Nitrat im Gießwasser den Nitratgehalt in den Pflanzen.
Auch aus einem anderen Grund sieht er die Nutzung des Brunnenwassers im Landkreis Lüneburg in einigen Fällen kritisch: So stellte er erhöhte Eisenwerte fest. „Unsere Analysen ergaben, dass in 26 Prozent der untersuchten Brunnen die Eisengehalte über 0,8 Milligramm pro Liter liegen”, berichtet er. Höhe Eisenkonzentrationen würden nicht nur zu einer Verfärbung des Wassers, sondern auch zu Ablagerungen führen. Diese könnten technische Geräte beeinträchtigen und einen Nährboden für Keime in den Leitungen bieten.
Bakterien durch Starkregen
Auch die Zunahme der Bakterienbelastung im Brunnenwasser bereitet Harald Gülzow Sorge. Hier sieht er die Ursache bei den Starkregenfällen. Das mit coliformen Keimen belastete Wasser dringe in undichte Brunnen ein. „Bei unseren Wasseruntersuchungen im Kreis Lüneburg fanden wir diese Bakterien in 9,7 Prozent der getesteten Brunnen”, berichtet der Physiker. Eine zusätzliche Gefahr sieht er in defekten Abwasserleitungen im Untergrund. Durch sie könnten Fäkalien ins Grundwasser gelangen und dieses mit Escherischia-Coli kontaminieren. Diese Darmbakterien hätten sie in 4,2 Prozent der untersuchten Brunnen festgestellt. Das Wasser könne dann auch mit weiteren Viren und anderen Bakterien belastet sein, die zu schwerwiegenderen Krankheiten führen können, fügt er hinzu.
Jeder Brunnenbesitzer, der dem Verein eine Wasserprobe zur Analyse überlassen hat, erhält per Post ein ausführliches Gutachten mit den Messergebnissen und einer Bewertung für die Nutzung des Wassers. Anhand einer Checkliste von VSR-Gewässerschutz kann auch jeder prüfen, welche Ursachen für die Bakterienbelastung vorliegen könnten. Telefonisch bietet der Verein für die Brunnenbesitzer auch nach der Analyse eine Beratung an.
Harald Gülzow weiß aus Erfahrung: Die meisten Menschen nutzen das Wasser aus ihrem eigenen Brunnen primär zum Bewässern des Gartens, zum Befüllen von Planschbecken, für Tiertränken oder vereinzelt in der Landwirtschaft. „Sobald man einen Trinkwasseranschluss hat und das Brunnenwasser nicht als Trinkwasser genutzt wird, interessiert das keine Behörde”, erklärt Gülzow.
200 Gartenbrunnen im Landkreis
Laut Landkreis Lüneburg sind im Landkreis etwa 200 Gartenbrunnen angezeigt. Die tatsächliche Zahl dürfte jedoch weit höher liegen, vermutlich mindestens doppelt so hoch, denn auch wenn jede Bohrung anzeigepflichtig sei, werde dies häufig unterlassen. Gartenbrunnen seien generell erlaubnisfrei, es sei denn, sie liegen in einem Wasserschutzgebiet – dann ist eine wasserrechtliche Erlaubnis Voraussetzung. Darüber hinaus gibt es in Stadt und Landkreis Lüneburg 186 registrierte Brunnen zur Eigenwasserversorgung, davon acht Brunnen im Stadtgebiet. Die Betreiber sind verpflichtet, die Errichtung und Inbetriebnahme eines Trinkwasserbrunnens beim Gesundheitsamt anzuzeigen. Das gilt auch bei einer Stilllegung. Verpflichtend ist es auch, die gesundheitliche Unbedenklichkeit durch eine Trinkwasseruntersuchung nachzuweisen. Alle fünf Jahre müssen Betreiber von Trinkwasserbrunnen ihr Wasser chemisch untersuchen lassen, wobei das Gesundheitsamt den Umfang der Analyse festlegt.
Die Analyse der privaten Gartenbrunnen übernimmt hingegen – auf Wunsch – die Organisation VSR-Gewässerschutz. „Ich kann schon verstehen, dass Großeltern ihr Brunnenwasser überprüfen lassen, bevor ihre Enkel darin im Planschbecken spielen”, meint Harald Gülzow. „An der Analyse kommt man nicht vorbei, wobei das für Rasen oder Blumen nicht unbedingt nötig ist.” Schon eine kleine Plastikflasche mit einem halben Liter Brunnenwasser reicht für die Analyse des Wassers. Wer sein Wasser auf die persistenten Schadstoffe PFAS untersuchen lassen möchte, sollte anderthalb Liter Brunnenwasser abgeben.
Eine Bakterienbelastung in knapp zehn Prozent der Brunnen im Landkreis Lüneburg beurteilt Harald Gülzow als einen insgesamt nicht hohen Wert. „Das hängt auch davon ab, wie oft wir in der Region schon waren und ob schon etwas geändert wurde – zum Beispiel sollte man kein Regenwasser in den Brunnen einleiten”, erklärt der Physiker. Es gebe inzwischen viele Stammkunden, die ihr Wasser alle paar Jahre untersuchen lassen würden. „Dazu raten wir auch, das Grundwasser ändert sich.”
Mehr Mikroplastik und PFAS
Beim VSR-Gewässerschutz werden die Messungen physikalisch und mit chemischen Verfahren durchgeführt, einige Proben werden an ein Partnerlabor weitergegeben. Zehn bis 50 Wasserproben gehen pro Woche bei der Organisation per Post ein, 250 bis 500 werden pro Woche im Labor analysiert. Stichprobenartig wird doppelt analysiert, um Fehler auszuschließen. Die Gutachten gehen spätestens nach drei Wochen an die Brunnenbesitzer heraus. Ohne Ehrenamtliche im Verein würde da gar nichts laufen. Während die Brunnenwasserproben im Sommer untersucht werden, konzentriert sich die Organisation im Rest des Jahres auf die Analyse des Wassers aus Flüssen.
Ob die Wasserqualität in den vergangenen Jahrzehnten besser geworden ist, „kommt darauf an, welche Brille man sich aufsetzt”, meint Harald Gülzow. Zwar sei die Belastung mit Nitrat in deutschen Gewässern niedriger geworden, doch der Anteil an Mikroplastik und PFAS sei gestiegen. Für den Physiker Grund genug, um seinen Einsatz für den Gewässerschutz weiterzuführen. (JVE)
Foto: Susanne Bareiss-Guelzuw