Der Student Lukas Zimmermann engagiert sich als Jugendbotschafter für die Kampagnenorganisation ONE
In erster Linie ist Lukas Zimmermann Student. Doch momentan liegt ihm sein Ehrenamt mehr am Herzen. Der 22-Jährige engagiert sich seit anderthalb Jahren für die Lobby- und Kampagnenorganisation ONE. Eine Aufgabe, die ihm schon viele interessante Begegnungen eingebracht hat. Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist Lukas in Freiburg im Breisgau. Nach der Schule absolvierte er ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) bei der Bramfelder Laterne in Hamburg, einem Infozentrum für Globales Lernen mit angeschlossenem Weltladen. Hier entwickelte er ein Workshop-Angebot zum Klimawandel und wirkte an Info-Veranstaltungen mit. Zwar nahm er daraufhin in Karlsruhe ein duales Studium für Sicherheitswesen auf, doch dieses entsprach nicht seinen Vorstellungen. So ging er für ein viermonatiges Praktikum nach Dresden, das er bei „arche noVa – Initiative für Menschen in Not” machte, einer Organisation, die weltweit im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe aktiv ist. In dieser Zeit reifte in Lukas die Idee, sich langfristig ehrenamtlich im Bereich der Entwicklungspolitik zu engagieren. Seine Internetrecherche führte ihn zu ONE, einer entwicklungspolitischen Lobby- und Kampagnenorganisation zur Bekämpfung von extremer Armut und vermeidbaren Krankheiten. ONE setzt sich im Dialog mit der Öffentlichkeit und politischen Entscheidern für kluge und effektive Politikansätze und Programme ein, um Aids und vermeidbare Krankheiten zu bekämpfen, Investitionen in Landwirtschaft und Ernährung zu erhöhen und mehr Transparenz bei Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu schaffen. ONE hat ihren Hauptsitz in Washington D.C. und führt Länderbüros in Abuja (Nigeria), Berlin, Brüssel, Johannesburg, London, Ottawa und Paris. In Deutschland arbeitet ONE seit 2011 mit einem Jugendbotschafter-Programm für junge Menschen von 18 bis 35 Jahren. Ziel dieses Programms ist es, die Erfolge im Kampf gegen extreme Armut in Entwicklungsländern bekannter zu machen. Um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, treffen die Jugendbotschafter regelmäßig auf Spitzenpolitiker und informieren bei öffentlichen Veranstaltungen.
Einziger Botschafter in Lüneburg
Anfang 2018 bewarb sich Lukas Zimmermann bei ONE um das Ehrenamt als Jugendbotschafter, wofür er nach einem Telefoninterview die Zusage bekam. Seit Herbst 2018 lebt er nun in Lüneburg, studiert Umweltwissenschaften und Politikwissenschaften und engagiert sich von hier aus für ONE. Während es in Deutschland 50 ONE-Jugendbotschafter gibt, ist Lukas in Lüneburg der Einzige. Um mit seiner neuen Aufgabe vertraut gemacht zu werden, wurde Lukas zu einer dreitägigen Auftaktveranstaltung nach Berlin eingeladen, um Grundkenntnisse über Themen wie Lobbyarbeit, Pressearbeit und Entwicklungszusammenarbeit sowie über die Organisation zu erlernen. Dann konnte die Kampagnenarbeit beginnen. Die Jugendbotschafter erhalten von der Organisation ONE aus Berlin jede Woche eine E-Mail mit Informationen über anstehende Kampag-nen. Hier erfahren sie auch, wofür und wo noch Helfer gebraucht werden. Das Länderbüro in Berlin, in dem sieben Hauptamtliche arbeiten, koordiniert die Arbeit für ganz Deutschland. Wer sich bereit erklärt, an einer Aktion teilzunehmen, erhält Hintergrundmaterial zum Thema. „ONE gibt auch Spickzettel aus mit Forderungen an die Bundesregierung”, erklärt Lukas. Zwar bestreiten die neuen Jugendbotschafter ihre ersten Treffen mit Politikern gemeinsam mit erfahreneren Botschaftern, doch Lukas‘ erste Zusammenkunft mit einem CDU-Politiker lief nicht günstig, wie er sich erinnert: „Der Politiker war gegen die Entwicklungszusammenarbeit, und ich wusste nicht, wie ich da gegenanreden soll. Man lernt von den anderen, wie man da reagiert.” Für diese Fälle gibt es vor- und nachbereitende Gespräche mit anderen Jugendbotschaftern. „Jetzt ist immer noch eine Grundaufregung da. Es kommt aber auf die Person an, mit der wir uns treffen. Es ist generell schwieriger mit den Regierungsparteien”, erklärt der 22-Jährige. Schließlich würden sich die Forderungen an sie richten. „Wir versuchen aber auch, andere Parteien zu treffen.” In ihrer Arbeit müssen die Jugendbotschafter überparteilich sein, es ist ihnen aber erlaubt, Mitglied in einer Partei zu sein. In seiner Zeit als Jugendbotschafter hat Lukas schon einiges erlebt. Vor den EU-Wahlen war er im Februar mit allen deutschen Jugendbotschaftern in Berlin, um Gespräche mit Bettina Hagedorn, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, sowie mit Außenminister Heiko Maas zu führen. Sie forderten eine echte Partnerschaft der EU mit Afrika sowie mehr EU-Investitionen für die globale Armutsbekämpfung.
Man wird wahrgenommen
Bei solchen Treffen hat Lukas das Gefühl, als Jugendbotschafter auch von hochrangigen Politikern ernst genommen zu werden. „In der Regierungspartei und im Bundestag sind wir ziemlich bekannt. Man wird auf jeden Fall wahrgenommen. Die Leute nehmen sich Zeit für uns und gehen inhaltlich mit uns ins Gespräch”, so seine Erfahrung. „Der Entwicklungsminister Gerd Müller trifft sich zum Beispiel gerne mit uns, weil wir in seinem Sinne mehr Geld fordern. Wir waren 2018 eine Stunde bei ihm.” An den Entwicklungsminister Müller überreichten die ONE-Jugendbotschafter im August eine Petition, in der über 145.000 Menschen ihn auffordern, den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zu unterstützen. „Beim G7-Gipfel hieß es dann, dass der Beitrag für den Globalen Fonds erhöht wird”, erzählt Lukas. Ob ein Beschluss oder die Erhöhung von finanziellen Hilfen unmittelbar mit dem Engagement von ONE zu tun hat, ist in der Regel nicht nachvollziehbar. „Ab und zu gibt es Rückmeldung aus dem Bundestag”, sagt der 22-Jährige. „Das Gefühl wird einem auf jeden Fall vermittelt, dass man etwas erreicht hat.” Anfang August reiste der Student mit einer Gruppe anderer Jugendbotschafter zum Heavy-Metal-Festival nach Wacken. An ihrem Stand warben sie für die Kampagne „Armut ist sexistisch”. Darin macht ONE darauf aufmerksam, dass Frauen und Mädchen weltweit einerseits am stärksten von Armut betroffen sind, andererseits aber das größte Potenzial haben, diese zu beenden – wenn man sie nur ließe. Beim Lollapalooza Festival Anfang September in Berlin sammelte Lukas mit anderen Jugendbotschaftern Unterschriften für eine Petition an Senegal gegen sexuelle Gewalt. „Die Petition kam von der Musikerin und Aktivis-tin Black Queen und wurde mit ONE auf den Weg gebracht. Wir versuchen nicht nur, die westliche Brille aufzuhaben und denen zu sagen, was sie besser machen sollen”, erläutert er. Die Arbeit auf Festivals macht Lukas besonderen Spaß. „Da kann man die Leute gut erreichen, sie haben Lust auf Gespräche.” Gerne kommt er mit den Besuchern ins Gespräch, das Publikum erlebt er dabei vollkommen unterschiedlich. „Das Publikum beim Lollapalooza war sehr unkritisch. Dafür waren sie in Wacken ziemlich kritisch und haben sehr viele Fragen gestellt”, erzählt er. Oft werde hinterfragt, ob ihre Arbeit überhaupt etwas bringe und wer das Ganze finanziere. „Die Arbeit von ONE wird hauptsächlich von einer Stiftung finanziert”, weiß Lukas. „Viele sehen kritisch, dass wir nur Lobby- und Kampagnenarbeit betreiben und hinterfragen, ob man das Geld für die Lobbyarbeit nicht besser für Projekte vor Ort ausgeben könnte. Doch die extreme Armut wurde seit 1990 halbiert, auf solche Zahlen stützen wir uns.”
Man lernt viel
Das Ehrenamt als ONE-Jugendbotschafter läuft generell für ein Jahr, Lukas wurde Ende 2018 gefragt, ob er 2019 weitermachen will, was er zusagte. „Die Vielfalt macht Spaß, ob bei Lobbytreffen, Festivals oder Bildungsveranstaltungen”, meint er. An seiner ehemaligen Schule in Freiburg gab er bereits einen Bildungsworkshop zum Thema der Kampagne „Armut ist sexistisch”, was er sich an weiteren Schulen vorstellen könnte. Auch bei Straßenfesten wollen die Jugendbotschafter Präsenz zeigen, deshalb initiierte Lukas zum Beispiel einen Stand beim Zelt-Musik-Festival in seiner Heimatstadt Freiburg. Im September ging es für Lukas und viele andere ONE-Jugendbotschafter zu den Lobbytagen in Berlin. „Der Fokus lag auf dem Haushalt, der verabschiedet wird. Deutschland sollte 0,7 Prozent des Haushalts für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Wir fordern, dass diese Quote erreicht wird”, erklärt er. Dafür standen Treffen mit dem Unterausschuss für Globale Gesundheit und dem Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Programm. Bei all der Zeit, die der Lüneburger für sein Ehrenamt aufwendet, kommt das Studieren manchmal etwas zu kurz. „Das Studium steht bei mir nicht an erster Stelle. Das Ehrenamt ist mir wichtiger, weil ich glaube, dass es mir mehr bringt. Man lernt wahnsinnig viel, das Organisieren von Veranstaltungen oder wie ich Leute anspreche…” Im Raum Lüneburg war er selbst dafür verantwortlich, die Politiker aus dem Wahlkreis anzusprechen und sich persönlich vorzustellen, auch zu den Europawahlen versuchte Lukas, alle Kandidaten zu treffen. „Es wird immer versucht, einen Tick näher dran zu sein.” (JVE)