Opfer von Internetattacken werden immer jünger

Private Fotos stehen plötzlich im Netz, Beleidigungen anonym per E-Mail oder aufs Smartphone … Cybermobbing, also die Bloßstellung und Schikanen mittels elektronischer Medien, nimmt weiter zu. Vor allem Schüler und Teenager leiden unter virtuellen Angriffen. Laut Untersuchungen ist jedes fünfte Kind in Deutschland von Cybermobbing betroffen. Die häufigsten Formen des Cybermobbings sind Beschimpfungen und Beleidigungen im Internet. Danach folgen die digitale Verbreitung von Lügen und Gerüchten sowie Hänseleien. Bei der Hälfte aller Vorfälle wurden die Opfer unter Druck gesetzt, erpresst oder bedroht. Bei einem Viertel der von Cybermobbing Betroffenen wurden unangenehme oder peinliche Fotos beziehungsweise Videofilme ins Internet gestellt.

Im Unterschied zum klassischen Mobbing können die Cybertäter rund um die Uhr aktiv sein, denn ihre Aktivitäten erfordern ja keinen direkten Kontakt („Face to Face“) zu ihrem Opfer. Zudem können im Internet Dritte die Taten verfolgen, sie kommentieren oder noch unterstützen. Die veröffentlichten Texte, Fotos oder Videos werden schnell weiterverbreitet und weiteren Menschen zugänglich gemacht. Da das Internet zudem nichts vergisst, also selbst gelöschte Inhalte immer wieder auftauchen können, ist es möglich, dass das Opfer immer wieder mit den Veröffentlichungen konfrontiert wird. Das besonders Perfide gegenüber dem traditionellen Mobbing ist auch, dass die Opfer kaum noch eine Chance haben zu entkommen. Sie finden keinen Schutzraum mehr, weil die Täter sogar bis ins Kinderzimmer gelangen. Umso wichtiger ist den Betroffenen wirksame Hilfe anzubieten. Das – wissen Experten – geht aber nur mit dem „Abholen“ der Jugendlichen dort, wo sie sich mit Vorliebe aufhalten: online. Da wo die Scham groß ist, kann zum Beispiel eine anonyme Onlineberatung ein angemessenes Angebot sein.  Gemeinsam mit seiner Ehefrau leitet Pastor und Berufschullehrer Bernd Werner die von ihm und Freunden 2007 gegründete gemeinnützige Lüneburger Stiftung Medien- und Online-Sucht. Als Eltern dreier Kinder ist ihnen das Phänomen Medienabhängigkeit nicht fremd. „Zu viele Kinder und Jugendlichen waren und sind nur noch vor dem Computer oder mit ihrem Smartphone beschäftigt. Meist völlig alleingelassen.“

Jetzt haben sie gemeinsam mit der Lüneburger Web-Agentur Marktplatz GmbH die Cyberhelp-App entwickelt, die Jugendlichen einen „niedrigschwelligen“ Zugang zu professioneller Hilfe anbietet. Wer sich die App aufs Smartphone geladen hat, kann per Chat mit der Stiftung in Kontakt treten und sich schnellen Rat und Unterstützung holen. Bernd Werner: „Wenn wir uns der Scham und dem Schutzraum zuwenden möchten, brauchen wir einen nächsten Schritt, der es erlaubt, betroffene Kinder und Jugendliche dort abzuholen, wo sie stehen.

 

Das bedeutet den Fokus der Beratungsarbeit an die Wandlung in der Kommunikation der Gesellschaft anzupassen und ihn in Form von Onlineberatung zu ergänzen. Und genau diese Ergänzung möchten wir mit der Entwicklung einer webbasierten Onlineberatung durch eine Cyberhelp-App schaffen.“ Die Deutsche Fernsehlotterie fördert die Personalkosten zur Onlineberatung. Zudem wird Anfang 2017 ein in Lüneburg bereits produzierter Spot in der Fernsehlotterie-Sendung vor der „Lindenstraße“ und vor der „Tagesschau“ gezeigt, der genaue Sendetermin steht jedoch noch nicht fest.

Am 21. November wurde die neue App gegen Cybermobbing im Glockenhaus Lüneburg der Öffentlichkeit präsentiert. Ab 1. Januar 2017 kann sie jetzt auf allen Handys/Smartphones heruntergeladen werden. Bernd Werner: „Wir müssen beim Schutz unserer Kinder in der digitalen Welt alle Möglichkeiten ausschöpfen. Die App ist ein kleiner, aber wichtiger Baustein!“

Cybermobbing erkennen

Die Opfer von Internetattacken können eine Vielzahl an Symptomen aufweisen, die auf Cybermobbing schließen lassen. Die Anzeichen ähneln anderen psychischen Belastungen. Viele Opfer sind häufig bedrückt, ungewöhnlich schweigsam oder nervös und angespannt, leiden unter Schlaf- und Lernstörungen, Schulangst, Depression, Selbstverletzungen oder auch körperlichen Erkrankungen.

Weitere Faktoren:

  • Das Opfer hat viele Ausreden für zerstörte oder scheinbar verlorengegangene persönliche Gegenstände.
  • Oft treten vor einem Schulbesuch unerklärliche körperliche Beschwerden auf.
  • Das Opfer erhält keine Einladungen beispielsweise zu Kindergeburtstagen oder Partys.
  • Das Opfer will oft nicht mehr mit dem Bus in die Schule fahren oder will häufig von den Eltern gebracht und geholt werden.
  • Opfer spielen ihre Situation vor Erwachsenen meist herunter.

Zwar stellt Cybermobbing in Deutschland keinen eigenen Straftatbestand dar, aber es beinhaltet oft strafrechtlich relevante Bestände – das ist vielen Tätern/innen oft nicht bewusst. Beleidigungen, Drohungen oder die scheinbar harmlose Verbreitung von Bildern und Videos können ernsthafte Folgen auch für den oder die Täter haben. Straftaten, die ein Teil von Cybermobbing sind: Beleidigung [§ 185]; Üble Nachrede [§ 186]; Verleumdung [§ 187]; Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes [§ 201}, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen [§ 201a [1]]; Nötigung [§ 240 [1]]; Bedrohung [§ 241]; Gewaltdarstellung [§ 131 [1]].

Auch ein brutales Handyvideo, das zum Beispiel im Schulunterricht an Minderjährige verbreitet wird, fällt unter den Straftatbestand Gewaltdarstellungen. (RT)

Neue App gegen Cybermobbing
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