Sebastian Füntmann spielt im Jugger-Team im Lüneburger Kurpark
Sebastian Füntmann hat ein unkonventionelles Hobby. Während andere Fußball im Verein spielen, geht der 28-Jährige in den Lüneburger Kurpark, um mit Gleichgesinnten die Sportart Jugger auszuüben. Die Truppe ist ein Blickfang – und eine kleine Attraktion im Kurpark. „Jeder, dem man erzählt, dass man Jugger spielt, ist zunächst ratlos“, erzählt der Lüneburger. „Das versteht man erst, wenn man es gespielt hat.“ Zwar gibt es den Sport schon seit mehr als zehn Jahren in Lüneburg und seit mehr als 25 Jahren in Deutschland, doch er erscheint eher exotisch. Sebastian Füntmann lernte Jugger im Sommer 2008 über einen Kumpel im Lüneburger Kurpark kennen. Der Freund nahm ihn mit zum Training – seitdem brennt der 28-Jährige für den Sport. Jugger ist eine Mischung aus American Football und Gladiatorenkämpfen. Zwei Mannschaften mit je fünf Feldspielern versuchen den Jugg, den Spielball, in der Mitte des Spielfeldes zu erobern und ins Platzierfeld der gegnerischen Mannschaft zu tragen. Was für Außenstehende martialisch aussieht: Vier der fünf Spieler sind mit so genannten Pompfen ausgestattet, den Spielgeräten des Juggerns. Wird ein Spieler von einer solchen -Pompfe getroffen, kann er eine Zeitlang nicht ins Spiel eingreifen. Der fünfte Spieler, der Läufer, der keine Pompfe trägt, ist der Einzige, der den Jugg in die Hand nehmen darf. Seine Aufgabe ist es, geschützt durch seine Mitspieler den Jugg zu platzieren und damit zu punkten. Der Sport ist schnell und zeichnet sich durch taktische Manöver aus.
Ursprung
in australischem Film
Entstanden ist Jugger durch den australischen Endzeitfilm „Die Jugger – Kampf der Besten“ von 1989. „Ein ziemlicher B-Movie“, meint Sebastian Füntmann, doch auch er hat ihn auf DVD und betont, dass er unter Juggern eine Art Kultstatus habe und wiederholt gesehen werde. Das Lüneburger Jugger-Team gehört keinem Verein an, und auch das Training wird eher spontan ausgemacht. Für die Absprachen im Team gibt es eine WhatsApp-Gruppe, doch meist läuft es auf ein mehrstündiges Treffen am Sonntagnachmittag im Kurpark hinaus, manchmal auch unter der Woche. 15 bis 20 Jugger spielen in Lüneburg, viele Studenten, keiner älter als 35, unter ihnen eine Frau. Für ein Spiel werden mindestens zehn Spieler gebraucht. „Wir sind meistens zu wenige“, so Sebastian Füntmann. Da das Spiel anstrengend ist und man viel Ausdauer braucht, wird normalerweise regelmäßig ausgewechselt, doch Ersatzspieler haben sie beim Training im Kurpark fast nie. „Es gibt eine Spielvariante mit vier gegen vier, wenn man zu wenig Spieler hat.“ Sebastian Füntmann spielt seit zehn Jahren Jugger – doch nicht durchgehend in Lüneburg. Dreieinhalb Jahre lebte er während seiner Ausbildung zum Bürokaufmann in Husum, wo er ebenfalls ein Jugger-Team gründete. Seit 2012 ist er zurück, das Husumer Team existiert immer noch.
Pompfen werden
selbstgebaut
Dass Sebastian Füntmann bei dem ungewöhnlichen Sport Jugger gelandet ist, ist kein Zufall. „Ich mag gerne andere Sachen, weil ich selbst vom Wesen her anders bin“, erklärt er, „Ich mag außergewöhnliche Menschen um mich herum.“ Körperliche Einschränkungen und viele Krankenhausaufenthalte in jungen Jahren erschwerten dem 28-Jährigen immer wieder soziale Kontakte, doch in seinem Jugger-Team hat er seinen festen Platz gefunden. „Viele Leute im Team sind sehr tiefgründig“, erzählt er, mit einigen verbinde ihn eine enge Freundschaft. Wer Jugger spielt, geht nicht nur zum Training – außerhalb der Trainingszeiten werden auch die Spielgeräte selbst gebaut oder repariert. Zwar gibt es in Berlin einen Pompfenshop, doch dort sind die Geräte teuer. Alle Spielgeräte des Lüneburger Teams sind selbstgebaut, viele auch von Sebastian Füntmann. „Nach meiner Zeit in Husum hatte ich eine Riesenmenge an Pompfen. Da habe ich mich beim Bauen etwas hineingesteigert“, erinnert er sich. Die Spielgeräte bewahrt der 28-Jährige, der die Organisation im Team in die Hand nimmt und Ansprechpartner für Neulinge ist, bei sich im Schuppen auf. Vor jedem Training kommt bei ihm ein Teamkollege vorbei, um beim Transport des Bollerwagens mit den Geräten zum Kurpark zu helfen. Die Spielgeräte sehen gefährlicher aus, als sie sind. Die bis zu zwei Meter langen Stäbe der Pom-p-
–fen müssen gut gepolstert sein – das Regelwerk verbietet harte oder gar scharfe Spielgeräte. Auch die mehr als drei Meter lange Kette besteht aus einem Schaumstoffball an einer Plastikkette, die extra gepolstert ist und über dem Kopf geschwungen werden soll. Hand- oder Kopftreffer zählen im Spiel zudem nicht. „Bei den Sportgeräten ist alles festgelegt, von den Maßen bis zur Polsterung“, so Füntmann. „Man kann sich an ihnen nicht verletzen.“ Im Rahmen dieser Vorschriften gibt es aber genug Spielraum, um mit dem Gewicht der Geräte zu experimentieren, was einige bis zur Perfektion betreiben. „Es wird alles leichter“, erklärt der Jugger-Spieler, „es gibt Pomp-fen, die so leicht sind wie ein Blatt Papier.“
Doppeljubiläum im Jahr 2020
Lauenburg kann stolz sein auf das Museums-Exponat in Originalgröße. Mit der Aufnahme der historischen Elbfahrten des Kaiser Wilhelm von Lauenburg aus wurde die erste deutsche Museumsdampferlinie begonnen. Das Schiff ist einer von weltweit nur fünf Raddampfern, die noch mit Kohle befeuert werden. „In seiner Lebenszeit hat er jetzt den dritten Dampfkessel, aber die Maschine ist weitestgehend im Originalzustand”, so Böttcher. Rund 1,5 Millionen Euro wurden gerade in Dampfkessel, Heck und Rudermaschine investiert. Dazu gab es 950.000 Euro Fördermittel vom Bund, den Rest muss der Verein selbst tragen. In diesem Jahr feiert der Raddampfer ein Doppeljubiläum: Zum einen ist er seit genau 50 Jahren in Lauenburg heimisch, zum anderen ist er genau 120 Jahre alt. „120 Jahre lang ist das Schiff jedes Jahr gefahren, selbst in Kriegszeiten. Es hat immer alles funktioniert”, so Böttcher. Das Doppeljubiläum sollte 2020 der Anlass sein für eine besondere Fahrt zur Weser, wo es einst im Einsatz war. Am 17. Juli sollte es in Lauenburg losgehen zu einer 17-tägigen Tour mit zahlreichen Zu- und Ausstiegen und Übernachtungen an Land. „Wir hatten über 3.000 Anmeldungen”, erklärt Holger Böttcher, der die gesamte Reise organisiert hat – und alles wegen der Corona-Pandemie wieder stornieren musste. „Mir persönlich war das relativ früh klar, dass die Reise ausfallen muss”, so Böttcher. Um den Sohn des letzten Weser-Kapitäns Adolf Kruse, Jan, als Lotsen mitnehmen zu können, musste die Weserfahrt nun um ganze zwei Jahre verschoben werden. Holger Böttcher freut sich, dass viele Gäste, die die Reise gebucht hatten, ihre Buchung aufrecht erhalten. „Es ist etwas sehr Emotionales, wieder an die Weser zu fahren”, meint er. 25 bis 30 Ehrenamtliche waren als Besatzung für die Weser-Reise eingeplant. Fährt das Schiff nach Plan von Lauenburg nach Bleckede oder Hitzacker, sind in der Regel 15 Ehrenamtliche an Bord. Der Verein ist auf die Mitwirkung von Ehrenamtlichen angewiesen und kann immer Hilfe gebrauchen. „Man muss da nichts gelernt haben, nur bereit sein, von anderen Rat anzunehmen”, erklärt der Zahlmeister. Zwar verfüge der Verein über rund 350 Mitglieder, doch die wenigsten würden vor Ort leben und könnten in irgendeiner Form mithelfen.
Schwimmendes Museum
Auch für Holger Böttcher, der hauptberuflich als Kaufmännischer Angestellter arbeitet, geht für sein Ehrenamt viel Freizeit drauf. „Ich bin jeden Tag mit dem Schiff beschäftigt. Ich habe auch schon am ersten Weihnachtstag einen Anruf bekommen von jemandem, der das Schiff chartern wollte.” Über „das Schiff” hat Böttcher vor einigen Jahren auch seine Lebensgefährtin Magret kennengelernt, die als Schatzmeisterin für den Verein tätig ist und auch Dienste an Bord übernimmt. Magret lebt in Hohnstorf auf der anderen Elbseite und ist mit dem Anblick des Raddampfers vor Lauenburg ebenfalls aufgewachsen. Der Raddampfer Kaiser Wilhelm ist gewöhnlich jedes Jahr von April bis Anfang Oktober an 12 bis 13 Wochenenden unterwegs, von Lauenburg nach Bleckede, Hitzacker oder Hamburg – oder als Mottofahrt mit Musik. Pro Saison werden rund 5.000 bis 6.000 Fahrgäste befördert. „Wir sind zum Glück nicht immer ausgebucht”, so Böttcher, „das würde die Besatzung nicht immer schaffen.” So seien samstags und sonntags immer 250 bis 270 Fahrgäste an Bord, 200 seien aber angenehmer. Der Raddampfer ist eine Art „schwimmendes Museum”: Wer Interesse hat, kann während der Fahrt auch einen Blick in den Maschinen- und Kesselraum werfen. Auch Deutschlands einzige Schiffs-Poststelle befindet sich seit 2006 an Bord. 2016 war ein Fernsehteam des NDR an Bord des Kaiser Wilhelm, um eine Fahrt mit dem Raddampfer von Lauenburg nach Hamburg in Echtzeit aufzunehmen. Diese wurde Pfingsten 2017 unter dem Titel „Die Elbe. Ganz in Ruhe” ausgestrahlt – fünf Stunden lang. „Danach konnten wir uns bei Hamburg-Fahrten vor Fahrgästen nicht mehr retten”, berichtet Holger Böttcher. Grundsätzlich empfiehlt er, sich für alle Fahrten rechtzeitig anzumelden.
Zu schmal für Mindestabstand
Die Corona-Pandemie macht dem Fahrplan des Kaiser Wilhelm zurzeit noch einen Strich durch die Rechnung. „Das Schiff ist 4,50 Meter breit, da ist das mit dem Mindestabstand ganz schwer“, meint Holger Böttcher. Aus Denkmalschutzgründen sei das Aufstellen von Plexiglasscheiben nicht erlaubt, zudem gebe es Probleme mit dem Durchfahren verschiedener Länder und Landkreise, da überall unterschiedliche Bestimmungen gelten würden. „Ich hoffe, dass wir im August wieder anfangen können, aber dann bestimmt mit einem anderen Fahrplan. Wir wissen noch nicht, was wir dürfen”, erklärt er. Auch der Förderverein des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums kann in Krisenzeiten jeden Cent gebrauchen, denn Fixkosten wie Versicherungen und Miete fallen natürlich trotzdem an. Der Raddampfer liegt zurzeit noch in der Hitzler-Werft in Lauenburg und wäre nicht sofort fahrbereit. Holger Böttcher weiß aus Erzählungen viel über das Schiff und ist der Einzige der heute noch Aktiven, der Dr. Ernst Schmidt persönlich kannte. Er kann sich momentan nicht vorstellen, seinen Einsatz für den Raddampfer irgendwann aufzugeben, zu groß ist die emotionale Bindung: „Es gibt Momente, wo ich sage, ich höre auf. Aber es gibt noch einige Ideen für Projekte. Ich will in fünf Jahren noch den 125. feiern und noch eine größere Reise machen. Es macht verdammt viel Arbeit und verdammt viel Spaß, eine Dampferfahrt wie 1900 für die Nachwelt aufrecht zu erhalten.” (JVE)