Er ist einer der Letzten seiner Art: Forstwirt Kay Stolzenberg hilft als Holzrücker mit seinen Pferden bei der Holzernte und anderen Wald- und Wiesenarbeiten.

Forstarbeiter wie ihn, die mit ihren Pferden gefällte Bäume durch den Wald zu größeren Wegen transportieren, bekommt man nicht mehr häufig zu Gesicht. Ihre Arbeit übernehmen heute meist Maschinen, auch wenn diese den Waldboden deutlich mehr zerstören als die Arbeitstiere. Der 47-jährige Kay Stolzenberg hat sich als Holzrücker mit seinen Pferden selbstständig gemacht – eine Arbeit, die vielseitige Einsatzmöglichkeiten bietet. Zu seiner heutigen Arbeit kam der gebürtige Hamburger über Umwege – und glückliche Fügungen. Nach seiner Tischlerausbildung arbeitete Stolzenberg zunächst als Geselle in Hamburg, hängte den Job jedoch im Alter von 24 Jahren an den Nagel, als sich ihm eine besondere Gelegenheit bot. Auf einer seiner Skandinavien-Reisen vermittelte ihm eine Frau, die ihn auf der Fähre wegen seines kleinen Hundes, der ihn begleitete, ansprach, einen Job im hohen Norden
Finnlands. So fand er eine Arbeit, die ihn sehr ausfüllte: Zwei eisige Winter
lang bildete Kay Stolzenberg in Finnland Schlittenhunde aus und trainierte
diese – seine Wohnung und den Job in Hamburg gab er dafür auf. Auch nach der Rückkehr aus Finnland war an das Arbeiten als Tischler in Hamburg für ihn nicht mehr zu denken. Zu intensiv war die Zeit mit den Tieren in der Natur gewesen.

Viel gelernt im Wörmer Wald

Seine neue zweite Heimat fand Kay Stolzenberg schließlich bei einer
Demeter-Hofgemeinschaft bei Buchholz in der Nordheide. Hier arbeitete er mit, half bei allen anfallenden Reparaturen und Restaurationsarbeiten auf dem Hof. Als ein pensionierter Förster auf dem Hof stand, der bei den Arbeiten im hofeigenen Wald Hilfe brauchte, wurde Kay Stolzenberg seine rechte Hand. Drei Jahre wurde seine Arbeit über eine Stiftung finanziert. „Ich habe mich im 40 Hektar großen Wörmer Wald ausgetobt und alles gemacht, zum Beispiel Eicheln verschult oder ausgesät. Das erfüllt mich ziemlich”, erzählt Kay Stolzenberg. 
Als er die Arbeit im Wörmer Wald begann, war dieser in einem sehr ursprünglichen Zustand. „Man hatte
sich nie um den Wald gekümmert, zumindest nicht professionell. Aber eigentlich ist das gut für den Wald, man muss nichts machen, damit es ihm gut geht”, meint er und fügt hinzu: „Der Dauerwald ist die gesündeste Waldwirtschaft – nicht ernten und pflanzen, er wächst von alleine und verjüngt sich von alleine.” Auch dem Förster, dem Stolzenberg half, war klar, dass keine schweren Maschinen in den Wald gehören. Auf dem Hof, der einen anthroposophischen Hintergrund hat, wird viel händisch gearbeitet, und so erhielt auch sein Helfer viele Einblicke, zum Beispiel in die Motormanuelle Holzernte. Auch das Holzrücken mit Pferden
hatte er während seiner Arbeit im Wörmer Wald gelernt, zunächst mit geliehenen Pferden vom Heidekutscher, bei dem er auch hospitiert hatte, später mit einem eigenen Pferd. Als Ende der neunziger Jahre die Finanzierung für Stolzenbergs Job auslief, sollte sich auf dem Hof
daraus eine Stelle ergeben – doch man konnte ihn nicht bezahlen. „Da habe ich mich selbstständig gemacht”, erklärt Kay Stolzenberg. „Auf dem Hof hatte ich weiter meine Werkstatt und zwei Pferde und habe in der Umgebung gearbeitet.” Zu dieser Zeit lebte er in einer fünf Kilometer vom Hof entfernten Waldhütte. Insgesamt zehn Jahre arbeitete er für die Hofgemeinschaft. „Ich bin sehr dankbar, dass ich mich da ausprobieren konnte”, resümiert Stolzenberg. Auch wenn er inzwischen in der Göhrde lebt, betreut er den Wörmer Wald weiter.

 

Pferde als Therapeuten

Rückblickend sieht Kay Stolzenberg es als glücklichen Zufall, dass er sich ohne finanziellen Druck im Wörmer Wald ausleben konnte. „Ich war jung und hatte Bock auf Wald und Unabhängigkeit”, sagt er. Obwohl er vorher nicht viel mit Pferden gemacht hatte, entdeckte er durch die Arbeit mit ihnen sein glückliches Händchen für Tiere. „Pferde sind meine Therapeuten, sie spiegeln mich wider.” Das Einzige, das bei seiner Arbeit für ihn auf der Strecke geblieben ist, ist das Familienleben. Von den beiden Müttern seiner 8- und 15-jährigen Söhne lebt er seit einigen Jahren getrennt. „Die Pferde und die Jobs benötigen viel Zeit”,
erklärt Stolzenberg, dessen jüngerer Sohn sich zu seiner Freude sehr für seine Arbeit interessiert und manchmal mithilft.

Von seiner Arbeit als Holzrücker mit Pferden kann Kay Stolzenberg inzwischen gut leben. Aufträge erhält der 47-Jährige in Landes- und Kreisforsten sowie durch Privatbesitzer. Fünf Kaltblutpferde – französische Boulonnais gekreuzt mit Schleswiger Hengsten – hat er für seine Arbeiten zur Verfügung, die er ein-, zwei- und mehrspännig einsetzen kann. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Neben den Rückearbeiten von Abschnitten, Stammholz oder ganzen Bäumen mit oder ohne Pferderückwagen wird Stolzenberg mit seinen Pferden auch für die Waldverjüngung beauftragt. Hierfür können zum Beispiel mit dem Streifenpflug Pflanzstreifen zur Bepflanzung des Waldbodens oder zur Anregung der Naturverjüngung angelegt werden, mit dem Forstgrubber Bucheckern und Eicheln auf vergrasten Flächen eingearbeitet werden oder Nadelholzsaat eingebracht werden. Auch die Bestands- und Landschaftspflege so wie Holzeinschlag und Baumpflege übernimmt der Forstwirt mit seinen Arbeitspferden. Je nach anfallenden Arbeiten erhält der Holzrücker Unterstützung von unabhängigen Subunternehmern, einem befreundeten Schäfer oder gelegentlich von Praktikanten. Es gibt aber auch Wochen, in denen er den ganzen Tag alleine mit den Pferden arbeitet.

Nur einige der wenigen Holzrücker in Deutschland arbeiten hauptberuflich in ihrem Job. „Nicht einmal fünf Prozent der Holzmenge in Deutschland wird mit Pferden beerntet“, weiß Kay Stolzenberg, der Kontakte zu anderen Holzrückern im In- und Ausland pflegt. „Ich habe europaweit Kontakte zu Holzrückern. In Belgien und Frankreich gibt es eine große Tradition des Holzrückens.” Gerade hat er mit seinem Sohn einen Holzrücker in der Schweiz besucht.

Wiesenpflege im Sommer

Während der 47-Jährige diesen Winter das erste Mal im Lüneburger Stadtforst arbeitet, ist er in einigen Wäldern seit Jahren im Dienst, zum Beispiel seit 15 Jahren im Möllner Stadtwald oder seit vier Jahren im Uelzener Stadtwald. Im Rahmen eines großen Naturschutzprojektes in der Göhrde ist er im Breeser Grund unterwegs und pflügt Eiablageplätze für Zauneidechsen. Im Winter wird mehr Holz gerückt, im Sommer ist er mehr für Wiesenpflegeprojekte im Einsatz. Sein Einsatzgebiet erstreckt sich über ganz Niedersachsen und Schleswig-Holstein bis nach Mecklenburg-Vorpommern. Zu tun gibt es für Kay Stolzenberg mehr als genug. Regelmäßig kommen Besitzer von Wäldern bis zu einer Größe von zehn Hektar auf ihn zu und haben Arbeit für ihn. Manche Wälder betreut er komplett. „Das bringt am meisten Spaß, dann nehme ich auch mal die Motorsäge in die Hand”, meint er. Auch wenn seine Pferde den Großteil der Arbeit übernehmen, ist sie für ihn dennoch mit Anstrengung verbunden. „Es bedeutet ständige Bewegung in unebenem Gelände”, so Stolzenberg. Bei der Nutzung von Technik sei auch das Auf- und Abladen des Pfluges körperlich herausfordernd. Zwei Kreuzbandrisse hat sich der 47-Jährige schon bei der Arbeit geholt, dennoch meint er: „Die Arbeit kann richtig gut tun.” Raus geht es bei jedem Wetter, auch Schnee, Schneeregen oder Eis sind kein Hindernis, es sei denn, das Holz ist am Boden festgefroren. Sobald der Waldboden vereist ist, sei das Ziehen der Stämme sogar einfacher, erklärt der Forstwirt. Während er bei Schnee oder Schneeregen auch mal früher seine Arbeit beendet, ist seinen Pferden das Wetter immer einerlei. „Da sieht man mal, wie ursprünglich die Pferde noch sind.” Wenn seine Pferde nicht gerade für die Forstarbeit eingesetzt werden, helfen sie als Kutschpferde, in der Landwirtschaft beim Gemüseanbau, Ackerpflege und anderem mit. Oft wird seine Tätigkeit übrigens irrtümlicherweise „Pferderücker” genannt – warum, kann sich Kay Stolzenberg auch nicht erklären, schließlich rücke er nicht die Pferde, sondern das Holz. „Ich nenne mich Holzrücker mit Pferden.” (JVE)

 

Forstwirt mit Pferden
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