Frau präsentiert Paragraphen in Wohnzimmer

Zwölf Millionen Haushalte in Deutschland liegen im Clinch

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, wusste schon Friedrich Schiller. Seit den Zeiten des Dichterfürsten scheint sich daran nicht viel geändert zu haben: Einer Umfrage zufolge hatten fast 40 Prozent der Deutschen in den letzten Jahren Streit mit ihrem Nachbarn, jeder vierte fühlt sich „gemobbt“.

Die Gründe für Zwist sind vielfältig. Irgendein Anlass findet sich immer. Auf Platz eins der Streitgründe liegen laute Musik und dröhnende Fernseher. Aber auch intensives Heimwerkern, ausgelassene Gartenpartys oder auch leidenschaftlicher Sex können Nachbarn zur Weißglut bringen. Daneben ärgern sich Mieter und Hausbesitzer vor allem über Belästigungen durch Dreck und Müll ihrer Nachbarn, und auch das besonders heikle Thema Kinderlärm ist Grund für häufiges Gezeter. Meinungsverschiedenheiten gibt es auch darüber, wie Gemeinschaftsaufgaben erledigt werden sollen, etwa Schnee räumen oder Waschküche säubern.

Auch Nachbars Pflanzen, die über den Gartenzaun wuchern oder einem die Sicht und das Licht rauben, werden schnell zum Zankapfel. Weit vorn in der Rangliste sind auch noch Haustiere, die angeblich zu oft bellen oder angeblich stinken. Wird auf dem Balkon geraucht und zieht der Qualm durch das Schlafzimmerfenster der Wohnung darüber, ist dies ebenfalls ein häufig genannter Grund für Zoff, genauso wie der Rauch, der vom Grill des Nachbarn auf die eigene Terrasse zieht. Nicht wenige Streitigkeiten zwischen Nachbarn landen am Ende vor Gericht. Offizielle Zahlen gibt es dazu nicht, aber befragt man Anwälte oder Miet- und Eigentümerverbände, so herrscht dort der Eindruck vor, dass die Fälle stetig mehr werden. Und das obwohl zum Beispiel in Niedersachsen speziell ausgebildete Mediatoren eigentlich versuchen sollen, etwaige Streitereien außergerichtlich zu beenden (siehe „Brückenschlag“ in Lüneburg: www.bs-lg.de/meditation.html). Erst wenn deren Bemühungen nicht fruchten, landet eine Klage tatsächlich vor dem Kadi. Doch auch in dem Stadium gibt es noch einen Versuch der Justiz, auf eine kostengünstigere Verfahrenserledigung ohne richterliches Urteil. In Lüneburg kommen sogenannte Güterichter vom Landgericht (www.landgericht-lueneburg.niedersachsen.de) ins Spiel. Sie bieten den streitenden Parteien eine weitere Mediation an. Das Angebot wird durchaus häufig in Anspruch genommen, so Burghard Mumm, Vizepräsident des Landgerichts Lüneburg in einem Interview. Nach Mumms Angaben werden rund zehn Prozent der Zivilprozesse im Rahmen einer Mediation behandelt, in 85 Prozent mit Erfolg.

Warum sich nicht mehr zoffende Nachbarn dazu bringen lassen, ihr Kriegsbeil schnell wieder zu begraben, dazu gibt es verschiedene Erklärungsversuche. Ein Grund könnte sein, dass heute einfach immer weniger Menschen bereit sind, mit (vermeintlichen) Einschränkungen zu leben. Das eigene Zuhause gehört zu den intimsten Dingen des Lebens. Hier werden Grenzverletzungen – räumliche wie symbolische – als Angriff auf die eigene Person verstanden. Aber auch die profane Tatsache, dass immer mehr Rechtsschutzversicherungen verkauft werden, hat sicher Einfluss. Da lässt man es eben mal auf eine Klage ankommen. Dazu kommt: Nachbarschaftsverhältnisse sind unfreiwillige Beziehungen. Seinen Ehepartner sucht man sich aus, beim Eigentümer der Nachbarwohnung geht das in der Regel nicht, den muss man bis zu einem gewissen Punkt „ertragen“.

Kann man das nicht und ist die Stimmung erst einmal vergiftet, bleibt sie es oft. Die goldene Regel könnte da lauten: Wer das Gespräch sucht, gewinnt. Die meisten lernen das – wenn überhaupt – erst in der Schlichtung oder der Mediation… Eventuell hilft aber auch ein Rat des neben Schiller anderen großen deutschen Dichterfürsten. Goethe empfahl „genügend Nächstenliebe zu entwickeln, um in seinen Nachbarn etwas Gutes zu entdecken“.

Nachbarschaftsrecht ist Ländersache

Nachbarrecht ist Ländersache und deshalb nicht einheitlich geregelt. Deswegen sind generelle Äußerungen schwierig. Was das bedeutet, zeigt sich beispielhaft an der Frage, wer für welche Grenzbepflanzung zuständig ist. In Niedersachsen gilt anders als in den meisten anderen Bundesländern die sogenannte Einfriedungspflicht für die rechte Grundstücksseite. Das heißt, Gartenbesitzer müssen die Abgrenzung setzen und pflegen, die vor dem Haus stehend rechts liegt. Die linke Grundstücksgrenze dagegen wird vom linken Anrainer gestaltet, gibt es hinter dem Haus noch einen dritten Nachbarn, sind für diese Grenze beide gemeinsam zuständig. (RT)

 

Welche Vorteile bietet die Mediation vor dem Güterichter?

Die Beteiligten selbst bestimmen, wie der  Konflikt gelöst wird.
Das Verfahren ist vertraulich und nicht  öffentlich.
Lange Verfahrensdauern durch mehrere Instanzen werden vermieden.
Die Einholung zeit- und kostenintensiver Sachverständigengutachten wird vermieden.
Das streitige Verfahren kann jederzeit ohne Zeitverlust fortgesetzt werden.
Es entstehen keine zusätzlichen Gerichtskosten.

Der Feind hinterm Gartenzaun
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