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Die Künstlerin Marit Persiel führt Ihr erstes eigenes Theaterstück auf

Schauspielschulen waren nichts für sie, und in der Großstadt fühlte sie sich nicht wohl: Die Künstlerin und Theatermacherin Marit Persiel ging ihren eigenen Weg. Nun hat die 28-Jährige ihr erstes eigenes Theaterstück geschrieben, das im März im Salon Hansen uraufgeführt wird. Marit Persiel wuchs in Himbergen im Landkreis Uelzen auf. Nach dem Abitur 2009 zog sie zum Studieren nach Kiel, wo sie an der Fachhochschule ihren Bachelor in Medienproduktion machte. Ihr gefiel das Praktische: „Ich fand Medien und Fotografie immer spannend, dachte aber immer nur an die Produktion für Film, Fernsehen und Radio“, erzählt die 28-Jährige. Das Sprechen und Spielen lag zuerst nicht in ihrem Fokus, Gefallen daran fand sie aber vor allem durch einen spannenden Studentenjob: Im Kieler Grusellabyrinth, ähnlich dem Hamburger Dungeon, übernahm sie im Wechsel die Rolle von Waldwesen, einer Wahrsagerin, Archäologin oder auch eines Monsters. Anderthalb Jahre spielte sie neben dem Studium die gruseligen und auch lustigen Figuren, doch nach ihrem Bachelor-Abschluss 2013 wollte sie nicht in Kiel bleiben. „Ich wollte weitergehen und wissenschaftlich arbeiten. Die Ästhetik des Films und das filmische Erzählen haben mich interessiert“, erklärt sie. Doch sie bekam keinen Studienplatz für Medien- oder Filmwissenschaften. Stattdessen sammelte sie praktische Erfahrungen – und kam nach Lüneburg. Auf einem Aushang des Theaters Lüneburg wurden Darsteller für das Musical „Rent“ gesucht. Gesungen hatte sie schon in Schulbands und anderen Formationen, zuletzt in Kiel. So ging Marit zum Cas-ting – und ergatterte eine Nebenrolle als die überdrehte Bürodame Alexi Darling. Parallel zum Musical machte sie ein Praktikum an der Halle für Kunst. Noch während „Rent“ am Lüneburger Theater lief, erhielt Marit Persiel einen Anruf von der Lüneburger Nachwuchsproduzentin Franziska Pohlmann, die für ihren Film Darsteller suchte. Sie hatte Marit in „Rent“ auf der Bühne gesehen und engagierte sie schließlich als böse Königin für ihren Film „Die Krone von Arkus“, der 2014 hauptsächlich in Lüneburg gedreht wurde und 2015 bundesweit in die Kinos kam. „Am Anfang hieß es Studierendenprojekt. Aber es hat sich immer mehr zu etwas Größerem entwickelt. Plötzlich war es eine Kinoproduktion“, erinnert sich Marit. Noch bevor die Dreharbeiten begannen, hatte sie an der Leuphana Universität angefangen, Angewandte Kulturwissenschaften zu studieren und nutzte ihre Semes-terferien für den Filmdreh. Nebenher arbeitete sie im Scala-Kino.

Unmotivierte Mitschüler

An der Lüneburger Uni wurde Marit nicht recht glücklich. „Durch den Filmdreh und das Theaterspiel habe ich an der Uni gemerkt, dass das nichts für mich ist. Mir fehlte das Machen“, erinnert sie sich. Nach zwei Semestern schmiss sie das Studium und bewarb sich an Schauspielschulen. Sie erhielt einen Platz am Bühnenstudio Hamburg, einer privaten Schauspielschule. Von nun an pendelte Marit täglich von Lüneburg nach Hamburg. Während ihre Eltern für die Schauspielschule aufkamen, verdiente sie sich ihr Geld zum Leben weiterhin im Kino. Ein Jahr ging das so. „Das war ganz schön anstrengend“, sagt die 28-Jährige. Zwar war sie mit den Lehrern an der Schule zufrieden, doch es wurmte sie, mit welcher unmotivierten Haltung ihre Mitschüler an die Ausbildung herangingen. „Viele hatten keinen Bock und haben oft geschwänzt. Ich war aber voll motiviert“, erklärt sie. „Ich war schon Mitte Zwanzig und wollte vorwärts kommen, ich war einfach ungeduldig.“ Schließlich wechselte sie zum Schauspielstudio Frese. Hier waren die Schüler anders, der Ehrgeiz größer. Marit zog für die zweite Schauspielschule nach Hamburg, fuhr aber weiterhin zum Arbeiten nach Lüneburg. Doch sie fühlte sich nicht wohl: „In Hamburg war es nicht mein Ding, ich bin einfach kein Großstadtmensch.“ Auch die Atmosphäre an der Schauspielschule brachte sie zum Grübeln. „Ich wurde immer mehr mit Stereotypen konfrontiert und sollte in irgendwelche Schubladen passen“, erzählt sie. Die Schauspielschülerinnen mussten sich anhören, welche Muster sie erfüllen müssten, um an begehrte Rollen zu kommen. Doch Marit wollte diese Klischees nicht bedienen und zog nach einem halben Jahr auch an der zweiten Schauspielschule die Reißleine. Das Thema Schauspielschule war damit für sie beendet, doch sie möchte diese anderthalb Jahre nicht missen. „Neben dem Schauspiel habe ich viele Dinge gelernt wie Tanz und Gesang oder Fechten und Boxen für den Bühnenkampf“, erklärt sie. Sie glaubte nicht daran, nur mit dem Abschluss einer – am besten staatlichen – Schauspielschule weiterzukommen. „Es wurde einem immer gesagt, was man machen muss“, meint sie. „Ich dachte mir, ich mach meinen eigenen Weg und lasse mich nicht ins System pressen.“

Spielen ohne Worte

So zog Marit 2016 zurück nach Lüneburg – ihre Freunde waren alle noch hier. Auch von der Schauspielschule hatte sie noch Freunde. Diese animierten sie schließlich, mit zu einem freien Bewegungsensemble zu kommen. Das Ensemble Tan.going ist eine Art pantomimisches Improvisationstheater, bei dem einzelne Szenen oder Bilder gespielt werden. Nichts ist inszeniert, gesprochen wird nicht, dafür mit Körpersprache erzählt. Marit Persiel gehört dem Hamburger Ensemble seit ihrem ersten Besuch an. Zweimal wöchentlich wird geprobt, das verdiente Geld stecken die Künstler wieder in ihre Arbeit. Marit Persiel bereichert es, ohne Worte die Menschen erreichen zu können. „Das ist eigentlich der Ursprung des Theaters“, meint sie. „Darum kreist meine Arbeit: Nicht zu erzählen, was andere zu denken haben, sondern jemanden zu berühren.“ Während Marit bei Tan.going selbst spielt, wirkte sie 2016 bei einer weiteren Performance mit, bei der sie nicht auf der Bühne stand. Mit einer Freundin erarbeitete sie das selbst geschriebene choreographische Stück „Die Kapsel“, das sich um eine Zukunft dreht, in der die Menschen gemeinsam in einer Kapsel eingeschlossen leben und alles zeitgleich und synchron machen. Geldgeber, Proben- und Aufführungsräume in Hamburg waren nach langer Suche gefunden, als Darsteller rekrutierte Marit Freunde aus Schauspielerkreisen. Innerhalb von einem Monat studierten sie das choreographische Stück ein und führten es insgesamt dreimal im Hamburger Sprechwerk sowie im Monsun-Theater auf. Die Reaktionen waren positiv. „Das hat mir bewiesen, dass es auch anders geht und man sein eigenes Ding machen kann.“ 2017 begann Marit, sich mehr mit performativem Arbeiten zu beschäftigen. Für das lunatic Festival arbeitete sie eine Kunst-Performance aus, für die sie mit Schauspielern der „Kapsel“ eine Gruppe gründete, die sie „Partitanz-Kollektiv“ nannte. Doch nach diesen Gruppenprojekten, für die sie hauptsächlich organisieren musste, wollte sie wieder etwas selbst machen. Schon lange schreibt sie Texte und Gedichte. Nach einem Swing-Tanzkurs an der Uni kam ihr die Idee zu „Minor Swing“. „Im Tanzkurs hieß es: Es geht im Swing nicht um feste Tanzschritte, jeder macht sein eigenes Ding.“ Wieder stieß die Künstlerin auf ihr Leitthema „Jeder macht so, wie er möchte“. Sie begann, sich mit dem Swing auseinanderzusetzen und stieß auf die Ursprünge, die Swingkids, aber auch das Swingverbot durch die Nazis. „Die Kids wollten einfach tanzen und wurden nur politisiert, weil sie Swingmusik gehört haben“, erzählt sie. „Das Thema hat mich mitgerissen.“ Daraus wollte sie etwas machen.

Stück über Swingkids

Das Ergebnis ist das Eine-Frau-Stück „Minor -Swing“. Im Mittelpunkt der Geschichte, die 1943 spielt, steht die fiktive Figur Alma, die sich „Mickey“ nennt und aus ihrem Leben erzählt. Marit Persiel spielt Alma selbst, wird dazu auch singen und tanzen. „Ich möchte eine Geschichte erzählen, wie ich sie als Kind mochte. Viele Leute haben keine Lust auf Performance“, weiß sie. Es war ihr wichtig, wieder einmal selbst zu spielen. Bei der Suche des Spielorts und Werbung halfen ihr Freunde, doch im Prinzip ist „Minor Swing“ ganz allein Marits Arbeit. „Minor Swing“ wird zunächst nur einmal am Samstag, 10. März, 20 Uhr im Salon Hansen aufgeführt. Mit dem Salon Hansen hat sie einen kleinen Aufführungsort gefunden, der zu der Düsterkeit des Themas passt, doch gerne würde Marit ihr Stück häufiger aufführen. „Der Saal wird wahrscheinlich gefüllt mit Leuten, die mich mal spielen sehen wollen“, glaubt sie. Die Künstlerin wünscht sich ein ehrliches Feedback, denn sie will wissen, ob ihr das schreiben und spielen liegt. „Es geht mir darum, was es mit den Leuten macht.“ Marit Persiel hofft, mit Theater, Kreativität und Kunst einmal Genug Geld zum Leben zu verdienen. Doch sie arbeitet weiterhin in Teilzeit im Kino, um ihre Kunst zu finanzieren. Nach der Aufführung ihres Stückes wird sie für einen Monat ihren Cousin in Portugal besuchen, um neue Ideen zu sammeln. „Es ist erfüllend, eigene Ideen zu kreieren und umzusetzen“, so die Theatermacherin. (JVE)

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