Unterschätzt und äußerst schmerzhaft: Gürtelrose.

Die Volkskrankheit trifft auch Jüngere

„Gürtelrose – kennen Sie Ihr Risiko?“ Unter diesem Motto fand in der ersten Märzwoche die weltweit erste Gesundheitswoche Gürtelrose statt. Der Arzneimittelhersteller GlaxoSmithKline (GSK) und die International Federation on Age-ing (IFA) hatten die globale Aufklärungswoche initiiert, um das Bewusstsein für Herpes zoster, wie Gürtelrose in der Fachsprache heißt, in der Bevölkerung zu steigern. Und das scheint auch dringend notwendig zu sein. Denn die Volkskrankheit ist noch immer weitgehend unbekannt und der Leidensdruck der Betroffenen wird von vielen meist unterschätzt. Dabei können die Nervenschmerzen, die Gürtelrose verursacht, „höllisch“ sein. Von Patienten werden sie auf einer Skala von eins bis zehn oft zwischen sieben und zehn eingeordnet.

Heimtückisches Virus

In Deutschland tragen etwa 90 Prozent der über 50-Jährigen das Gürtelrose auslösende Varizella-Zoster-Virus in sich. Es ist ein tückisches Virus, das bei vielen seit der Kindheit schlummert, um dann irgendwann doch auszubrechen. Bei Erstkontakt, in der Regel im Alter zwischen zwei und zehn Jahren, äußert sich die Infektion durch die bekannten Windpocken. Danach bleibt das Virus lebenslang in Nervenzellen des Gehirns und des Rückenmarks. Jährlich 350.000 Frauen und Männer erkranken laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) daran, zirka fünf Prozent schwer bis sehr schwer. Auch wenn meist Ältere betroffen sind, gibt es inzwischen immer mehr jüngere Patienten. Darum wollen das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech und US-Partner Pfizer nach ihrem erfolgreichen Corona-Impfstoff jetzt ihre Kooperation verlängern und schon bald einen mRNA-basierten neuen Impfstoff gegen die Gürtelrose auf den Weg bringen. Die klinischen Studien beginnen in der zweiten Hälfte 2022. Zwar gibt es schon Medikamente zur Prävention gegen Gürtelrose, aber die sind nicht für alle Altersgruppen gleich empfehlenswert. So wurde bis vor Kurzem zum Beispiel ausschließlich der Lebend-impfstoff Zostavax gespritzt, der für Menschen mit einem schwachen Immunsystem aber nicht geeignet ist. Zudem hat er nur eine eingeschränkte Schutzwirkung von etwa 50 Prozent. Erst seit August 2019 wird der sogenannte Totimpfstoff Shingrix in Deutschland bevorzugt verabreicht, dessen Wirksamkeit stärker sein soll. Ob der neue mRNA-Impfstoff sogar noch besser vor Herpes zoster schützen wird, muss sich erst noch erweisen. Biontech-Chef Ugur Sahin geht es aber ohnehin um mehr. Er will, dass der „neue Impfstoff in seiner Herstellung einfacher skalierbar ist, um einen weltweiten Zugang zu ermöglichen.“

Frühzeitige Diagnose hilft

Ein Problem ist, dass viele Patienten erst sehr spät den Arzt aufsuchen. Denn oftmals wird Gürtelrose von den Betroffenen selbst nicht sofort erkannt. Auch die Lüneburgerin Stephanie K. (39) hatte zuerst nicht an Gürtelrose gedacht, als sie einen leichten Ausschlag auf der Haut bemerkte: „Es waren viele kleine Pickelchen, wie sie nach Mückenstichen entstehen können. Dann wurde es schnell schlimmer und mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen bildeten sich an meinem linken Oberschenkel. Ich bekam plötzlich krampfartige Schmerzattacken, konnte kaum noch laufen. Die Schmerzen waren nicht mehr zu ertragen, als würde mir jemand mit dem Messer in die Haut schneiden.“ Die Ärztin von Stephanie K. verschrieb ihrer Patientin Tabletten gegen die Ausbreitung der Viren. Dennoch dauerte es lange, bis es bei ihr mit dem Laufen wieder besser klappte, weil Nerven bereits geschädigt waren. Wenn sich das Virus zum Beispiel in den Hirnnerven eingenistet hat, können die für die Gürtelrose typischen, stark brennenden bis stechenden Nervenschmerzen auch chronisch werden. Auch Gesichtslähmungen sind möglich. Jeder Dritte hat zudem mit Komplikationen und Langzeitfolgen zu kämpfen. Manchmal dauert dies mehrere Monate, in anderen Fällen können die Schmerzen ein Leben lang anhalten. Daneben kann Gürtelrose auch zu Sehstörungen, Halluzinationen, einem vollständigen Seh- und Hörverlust sowie in seltenen Fällen auch zu Schlaganfällen und Herzinfarkten führen. Es ist unumgänglich, dass der Arzt sobald wie möglich Schmerzmedikamente gibt. Dabei kann die Medikation in schlimmen Fällen bis hin zu Morphiumderivaten gehen. Die Schmerzmittel verhindern, dass sich der Schmerz manifestiert, dass sich der Körper an den Schmerz erinnert und dieser immer wieder aufflackert.

 

Stress einer der Hauptauslöser der Krankheit Stephanie K. glaubt inzwischen zu wissen, was bei ihr die Gürtelrose auslöste. „Ich hatte eine Brustkrebs-OP und nach der Chemotherapie war mein Immunsystem ziemlich down. Meine Ärztin sagte mir, dass dieser Stress die Krankheit wohl verur-sacht hat. Tatsächlich ist Stress – physischer wie psychischer – ein Hauptauslöser von Gürtelrose. Die Krankheitserreger vermehren sich gerne unter Stress, als Begleitreaktion bei einer anderen Erkrankung oder auch nach einem schweren Schicksalsschlag in der Familie. Meldungen in sozialen Netzwerken, nach denen auch nach Corona-Impfungen vermehrt Gürtelrose-Fälle zu verzeichnen sind, konnten nicht bestätigt werden. Das Paul-Ehrlich-Institut erklärte jüngst, man sähe da keinen Zusammenhang. (RT)

Was jeder selbst tun kann

Suchen Sie so rasch wie möglich Ihren Hausarzt oder Hautarzt auf, sobald Sie den gerings-ten Verdacht auf eine Gürtelrose hegen. Der möglichst frühe Behandlungbeginn kann die Schmerzen am besten verhüten. Schonen Sie sich, solange die Krankheit besteht. Stress ist kontraproduktiv. Meiden Sie in der ersten Woche kleine Kinder und kranke Menschen, um diese nicht anzustecken. Der Hauptübertragungsweg ist die Schmierinfektion, vor allem über die Hände Nehmen Sie Ihre Medikamente, vor allem auch Schmerzmittel, regelmäßig und ausreichend hoch dosiert ein. Keine Selbstmedikation

 

„Als würde ein Messer in die Haut schneiden“
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