
Die junge Schauspielerin Nike Just wurde für ihre Leistungen am Theater geehrt
Schon seit sie ein junges Mädchen war, steht sie auf der Bühne. Die musikalische Ader hat sie von Haus aus mitbekommen. Nike Just hat an zahlreichen Produktionen am Theater Lüneburg mitgewirkt und studiert nun Musical. Vom Landkreis Lüneburg hat sie jetzt den Kulturförderpreis verliehen bekommen.
Nike Just fand Theaterspielen „immer cool”, wie sie sich erinnert. Ab der 5. Klasse an der Wilhelm-Raabe-Schule besuchte die Lüneburgerin die Theater AG, ein Schulfreund gab ihr schließlich den Tipp, sich für ein Musical-Casting am Theater Lüneburg zu bewerben. „Ich war zwölf, und es wurden junge Menschen gesucht, die bei Oliver Twist mitspielen”, erzählt die 21-Jährige. Sie wurde genommen – und stand ab da jedes Jahr bei den Produktionen des Jungen Musicals am Lüneburger Theater auf der Bühne. Von 2016 bis 2023 spielte sie hier nicht nur das Junge Musical, sie wirkte insgesamt bei rund 15 Theaterproduktionen mit. Der Schulfreund, der sie zum Jungen Musical gebracht hatte, begleitete sie all die Jahre – und tut es noch, er studiert auch mit ihr.
Das Musiktheater hatte es Nike so sehr angetan, dass für sie nach dem Abitur im Jahr 2022 nur ein Musical-Studium in Frage kam. „Ich hätte in Lüneburg am Theater bestimmt weitermachen können, aber ein staatlicher Abschluss ist wichtig. Und die Qualität der Ausbildung ist hoch”, meint sie. Doch einen der begehrten Plätze an einer der wenigen staatlichen Hochschulen – es ist nur eine Handvoll – zu bekommen, grenzte schon an ein Wunder. „Ich bin davon ausgegangen, dass ich keinen Studienplatz bekomme. Es bewerben sich an den Hochschulen rund 150 bis 200 Menschen auf sechs bis zehn Studienplätze”, erklärt Nike.
Hohes Arbeitspensum
Um die Zeit zu überbrücken, studierte die Lüneburgerin zwei Semester Angewandte Kulturwissenschaften an der Leuphana Universität in ihrer Heimatstadt. Hier erlebte sie das klassische Studentenleben, doch die Inhalte passten nicht zu dem, was sie wollte. Also bereitete sie sich aufwendig für die Aufnahmeprüfungen an verschiedenen staatlichen Hochschulen für ein Musical-Studium vor. Bei diesen kam es auf die drei Bereiche Gesang, Tanz und Theater an. Als gute Voraussetzung für ihre Bewerbung brachte sie viel Bühnenerfahrung vom Theater Lüneburg mit. Zusätzlich nahm Nike Tanzunterricht, bereitete Choreographien vor, übte Schauspiel-Monologe mit einem Schauspieler aus dem Lüneburger Theater und Gesang mit ihrer Gesangslehrerin. „Auswendiglernen fällt mir überhaupt nicht leicht, aber ich finde leicht Zugang zu Sachen”, erklärt sie. Nike wusste bei der Vorbereitung für die Eignungstests, dass einige Bewerberinnen und Bewerber jahrelang versuchen, an einer staatlichen Musical-Hochschule genommen zu werden. Doch die junge Schauspielerin konnte ihr Talent unter Beweis stellen und erhielt schließlich einen Studienplatz für den Bachelor-Studiengang Musikerziehung – Musical an der Hochschule Osnabrück. Im Herbst 2024 nahm sie das Studium auf.
Dass das Musical-Studium nicht mit klassischen Universitäts-Studiengängen zu vergleichen ist, merkte die junge Frau schnell – das Arbeitspensum ist immens. „Ich habe nicht das reguläre Studentenleben, wie ich es in Lüneburg erlebt habe. Das ist etwas schade, aber es ist eine große Ehre, dass ich an der Hochschule studieren darf”, meint sie. Für ihren Studienplatz hatte sie sich gegen 140 andere weibliche Bewerberinnen durchgesetzt. Insgesamt wurden an ihrer Hochschule nur zehn Studienplätze für Musical vergeben, fünf davon an Frauen.
Plan B: Sonderpädagogik
Auch wenn Nike natürlich insgeheim gehofft hatte, in ihrer ersten Bewerbungsrunde einen Studienplatz zu bekommen, hätte sie ein weiteres Ass im Ärmel gehabt. „Man sollte nicht ohne Plan B ins Leben gehen”, so ihre Meinung. „Ich wäre auch mit reiner Pädagogik glücklich geworden.” Ihre Mutter sei Sonderpädagogin, sonst hätte sie ebenfalls Sonderpädagogik studiert. Auch in ihrem vierjährigen Musical-Studium gibt es einen pädagogischen Anteil, und in diese Richtung gibt es nach ihrem Bachelor-Abschluss weitere Möglichkeiten: „Ich könnte noch den Lehramts-Master hinterher machen. Ich weiß ja nicht, ob ich im Beruf funktioniere.” In ihrem Musical-Studium ist Nike gut angekommen. Doch von einem lockeren Studentenleben kann die 21-Jährige nur träumen. „Die Belastung ist unfassbar hoch”, erzählt sie. „Ich war überrascht, dass das doch so anstrengend ist.” Für die praktischen Kurse wendet die Studierende knapp 40 Stunden die Woche auf. Hinzu kommen noch Vor- und Nachbereitung und das Üben des Gesangs. „Ich bin teilweise von neun bis neun beschäftigt.” Die Lüneburgerin lebt in einer Wohngemeinschaft mit einer Studierenden aus ihrem Jahrgang, doch geübt wird eher in Überäumen an der Hochschule als zu Hause. Positiv sieht die Musicalstudentin, dass das Institut für Musik, in dem man auch Jazz, Pop und Klassik studieren kann, an die normale Hochschule sowie die städtische Musikschule angegliedert ist. „Überall sind Musizierende, man ist nicht nur in seiner Musicalbubble”, betont sie. In ihrem Studium stehen die drei Sparten Tanz, Gesang und Schauspiel gleichberechtigt nebeneinander. Die Belastung ist nicht nur während des Musical-Studiums hoch, auch der Beruf ist stressig und von Unsicherheiten geprägt. Außerdem gibt es in Deutschland immer noch mehr Rollen für Männer als für Frauen. „Es war lange die Frage, ob ich wirklich Musical machen will. Es ist eine tolle universelle Sache mit Singen, Tanzen und Spielen. Die Musical-Sparte basiert oft auf alter Literatur. Da bringt die Branche es mit sich, dass man als Frau im Beruf weniger Rollen spielen kann”, erklärt sie. „Aber ich vertraue darauf, dass viele junge Leute Lust darauf haben, was Neues zu machen und Stereotype zu durchbrechen.”
Preis für Darstellendes Spiel
In ihrem Studium lernt Nike Just alle Theatersparten gleichermaßen kennen. Um früh in die Praxis zu kommen, produziert ihr Fachbereich jährlich zwei Musicalgalas, man führt im zweiten Jahr ein Schauspielstück sowie im vierten Jahr ein Musical als Abschlussstück auf. Für die junge Studentin bedeutet das, auch in den Semesterferien Rollen vorzubereiten und zu proben, zumal die Studierenden unterer Semester bei den Abschlussstücken gelegentlich mitwirken. Eine Würdigung für ihre Leistungen im Darstellenden Spiel erhielt Nike Just im September durch den Landkreis Lüneburg: Friedrich von Mansberg, Intendant des Lüneburger Theaters, hatte die 21-Jährige für den Kulturförderpreis des Landkreises in der Nachwuchs-Kategorie vorgeschlagen, der ihr jetzt von Landrat Jens Böther im Lüneburger Theater verliehen wurde. Von Mansberg betonte in seiner Laudatio, dass die Preisträgerin sowohl die lauten als auch die leisen Töne beherrsche. Der Kulturförderpreis ist mit einer Förderung von 2.000 Euro verbunden. Als Friedrich von Mansberg Nike Just im Juni informierte, dass sie den Preis erhalten würde, war die Überraschung bei ihr groß. „Ich war total baff. Aber es hat sich auch total richtig angefühlt”, meint sie. „Ich habe Theater gespielt und unterrichtet und lange Oboe gespielt. Mit dem Preis hat sich für mich der Kreis geschlossen.” Bei früheren Teilnahmen an dem Wettbewerb „Jugend musiziert” hatte sie mit der Oboe zweimal den zweiten Platz auf Landesebene gewonnen. Der Kulturförderpreis ist ihr erster Preis fürs Theaterspielen. „Das ist für mich eine sehr besondere Sache, dass ich darauf zurückschauen kann.” Ein großes Glück sei es für sie, dass ihre Eltern sie immer bei allem unterstützt hätten, betont sie.
Familiengefühl am Stadttheater
Der Preis erinnert die junge Schauspielerin daran, was sie dem Lüneburger Theater an Erfahrungen und Erlebnissen zu verdanken hat. „Ich spiele jetzt die erste Spielzeit in zehn Jahren nicht am Theater in Lüneburg. Ich hoffe, im dritten oder vierten Jahr meines Studiums zurückzukommen. Das Theater liegt mir sehr am Herzen.” Das Familiengefühl und der Zusammenhalt am Stadttheater hätten zu einer besonderen Arbeitsatmosphäre geführt, die sie nicht missen möchte – und sich auch für ihre berufliche Zukunft wünscht. Ihr Besuch beim „Sommernachtstraum” im Lüneburger Theater vor Kurzem habe ihr gezeigt, dass sie genau das später machen wolle – eine Schauspielerin sein, die auch singt. Nike träumt davon, später von ihrer Schauspielerei leben zu können. Sie würde gern als Profi nach Lüneburg zurückkommen und hätte gerne irgendwo eine Festanstellung, doch sie weiß: „Für Produktionen im Musical wird man am Theater als Gast angestellt. Dann muss man überall zu Auditions fahren.” Ihr ist bewusst, dass das Geld in der Kultur knapp ist, doch schon in ihrer Studienzeit gewöhnt sie sich daran, dass man für seine Schauspielerei Geld nehmen kann. „Dafür habe ich dann zu viel Aufwand und Kraft ins Studium gesteckt, um nicht dafür bezahlt zu werden”, meint sie. Doch sie hat Hoffnung: „In vielen Häusern werden Musicals gespielt. Sie sind Publikumsmagnete, die Tendenz geht ja überall immer mehr Richtung Musiktheater.” Privat besucht sie in Osnabrück mehr das reine Schauspiel, das sie sehr fasziniert. „Ich kann so viel lernen vom Schauspiel. Vielleicht gucke ich bei Musicals aber auch anders hin, was man anders machen könnte”, vermutet sie. Nike weiß, dass ihr Traumberuf auf eine Freiberuflichkeit hinausläuft – und sie vielleicht keinen festen Wohnsitz haben wird. Auch die Familienplanung sei in ihrem Beruf schwierig. „Das sind alles Fragen, die man sich stellt. Als Frau muss man darüber nachdenken, was man sich vorstellen kann. Aber mit dem Abschluss ist man auch Vokalpädagogin, so dass ich auch unterrichten und den Master machen könnte.” Sie hat immer noch einen engen Bezug zu ihrer Heimatstadt. In den Semesterferien kommt Nike zum Jobben in der Gastronomie nach Lüneburg und geht hier ins Theater. Sie wohnt dann bei ihren Eltern, denen sie viel verdankt. Ihr Vater war freiberuflicher Musiker, und sie und ihre Schwester wuchsen sehr musikalisch auf. Deshalb war es auch keine Frage für Nikes Eltern, sie bei ihrem Berufswunsch zu unterstützen. „Mach das, was dich glücklich macht”, hätten ihre Eltern immer gesagt. (JVE)
Foto Leander Berthold