Patricia und Martin Keil ­organisieren den über Lüneburg fahrenden HanseTreck

Patricia Keil liebt es, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen und sich zu vernetzen. Zusammen mit ihrem Mann Martin organisiert die Kulturakteurin jetzt ein besonderes Projekt: Der HanseTreck nach Lübeck startet am 28. Juni in Einbeck und macht am 3. Juli Station in Lüneburg. Wo früher Pferdefuhrwerke mit dem Hansetreck das Bockbier von Einbeck nach Lübeck brachten, sind nun Las­tenräder unterwegs.

Schon ab dem 14. Jahrhundert wurde Bier, das zu den Haupthandelswaren der hansischen Kaufleute gehörte, von Einbeck aus in den gesamten Hanseraum exportiert. Der letzte historische Biertreck machte sich im Jahr 1972 auf, um das Einbecker Bier über Hannover und Hamburg in die Hansestadt Lübeck zu bringen. Begleitet von großem Medienecho zogen damals schwere Pferdefuhrwerke, dutzende Reiter, Herolde und bewaffnete Knechte in prächtigen historischen Kostümen über die Hanseroute gen Norden – ein großes Abenteuer und ein riesiger Aufwand für alle Beteiligten.

Im 21. Jahrhundert angekommen, soll beim HanseTreck 2024, der die Hansestädte verbindet, nicht nur Bier transportiert werden, und auch die schweren Pferdefuhrwerke werden zeitgemäß abgelöst. Patricia und Martin Keil vom Verein Konzert- und Kulturfreunde Einbeck, der seit einigen Jahren jedes Jahr unter ein besonderes Thema stellt, planen im Jahr der Mobilität komplett ehrenamtlich den modernen HanseTreck, der sich mit Lastenräder-Gespannen in Bewegung setzt und nachhaltiges Kulturgut von Einbeck nach Lübeck bringt. „Früher war die Hanse mit ihrem Handel auch total nachhaltig, sie haben zum Beispiel getauscht”, so Patricia Keil. „Wir stellen den Treck zeitgemäß auf.”

Nachhaltigkeit in Bewegung

Seit 17 Jahren organisiert der Verein Konzert- und Kulturfreunde Einbeck Projekte, die zur Vernetzung beitragen, und bringt Kultur in die Stadt Einbeck. „Wir handeln mit Ideen, das ist die neue Hanse”, erklärt Patricia Keil. Zwar habe die Einbecker Brauerei für den HanseTreck auch ein modernes Lastenrad, den „Bockbringer”, gesponsert, mit dem Bockbier und alkoholfreies Radler nach Lübeck gebracht werden soll, doch die 43-Jährige betont: „Wir sind keine Abgesandten des Einbecker Brauhauses. Wir bringen die Nachhaltigkeit in Bewegung.” So schicken auch Unternehmen wie Fair Cup und Goldeimer eigene Lastenräder auf die Reise. Mit dem Hansebaum-Mobil sollen Hopfenbuchen für eine Wanderbaumallee entlang der Etappenstädte transportiert werden, Fair Cup schließt sich mit drei Versorgungs-Lastenrädern –dem Café-Bike, dem Fair-Sorgungsbike und dem Spülbike inklusive solarbetriebener Spülmaschine – dem Treck an, Goldeimer schickt mit dem Laubenpieper eine stattlich geräumige Bio-Trenntoilette mit auf die Reise. Zahlreiche weitere Themenräder werden dabei sein. Der moderne HanseTreck ist also weit mehr als eine Werbetour für Nachhaltigkeit. Alle interessierten Radfahrerinnen und Radfahrer, ob mit Lastenrad, E-Bike oder „Bio-Bike”, sind aufgerufen und eingeladen, sich auf der gesamten Strecke oder selbst ausgewählten Etappen der Fahrt nach Lübeck anzuschließen. Aus diesem Grund legten Patricia und Martin Keil den HanseTreck auch in die niedersächsischen Schulferien. „Wir haben zwei Kinder, und die wollten wir auf jeden Fall mitnehmen”, so Patricia Keil. Auf der 390 Kilometer langen Strecke wird in acht Hansestädten Halt gemacht. Mit der Strecken- und Programmgestaltung für unterwegs begannen Patricia und Martin Keil bereits im Oktober – rund 15 bis 20 Stunden pro Woche wendet jeder pro Woche für diese ehrenamtliche Arbeit auf. Patricia Keil suchte für die Strecke Kontakt zum ADFC und seinen Ortsverbänden, in den Städten kontaktierte sie Kultur- und Hansebeauftragte. Denn idealerweise soll in jeder Stadt ein kleines Kulturprogramm geboten werden. Das sieht in Lüneburg so aus: Am Mittwoch, 3. Juli, gegen 17:30 Uhr soll der HanseTreck auf dem Marktplatz eintrudeln, von wo die Teilnehmenden ihre Räder bis zum Glockenhof schieben. Hier haben sich schon die historischen Stadtführer Claas und Trine angekündigt. Ab 21 Uhr ist eine „After Hopf Party” im Brau- und Tafelhaus Mälzer geplant.

Korso mit Polizeibegleitung

Damit die Fahrradstrecken schön und auch tatsächlich befahrbar sind, werden ortskundige Fahrradenthusiasten der jeweiligen ADFC-Ortsverbände sie kurz vorher überprüfen. Da der Korso aus Cargobikes und Fahrrädern teilweise auf großen Straßen unterwegs ist, muss er zum Teil von der Polizei begleitet werden. „Wir werden zum Beispiel statt durch die Lüneburger Heide auf der Bundesstraße fahren, weil einige unserer Lastenräder einfach zu breit für die Radwege sind”, erklärt Patricia Keil. Gestartet wird in Einbeck passenderweise am 28. Juni zu den Mobilitätstagen. Der HanseTreck besteht aus einem Kernteam von 15 Personen – wie viele sich anschließen, kann die Projektleiterin nur ungefähr abschätzen, da sich nicht alle Interessierten auch offiziell angemeldet haben. „Eine Anmeldung hilft, weil wir so zum Beispiel das Essen besser planen können. Bei einem Rundum-Catering fallen 20 Euro pro Tag an”, erklärt sie. Auch mindestens sieben Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren werden dabei sein, außerdem will der Schirmherr der Veranstaltung, der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Christian Meyer, die erste Etappe mitradeln. Zudem hat der 85-jährige Heinrich Bartels, der schon vor 50 Jahren beim historischen Biertreck von Einbeck nach Lübeck dabei war, seine Teilnahme angekündigt. Passend zum Thema Hanse werden die Teilnehmenden zum Teil in historischer Gewandung auf die Räder steigen, so auch Patricia Keil und ihr Mann, die sich als ehrenwerte Händler der Hanse gewanden werden. Mit einem kleinen Schauspiel aus der Zeit um 1440 soll der Treck in Einbeck verabschiedet werden. In Hannover soll ein Teil des HanseTrecks am Sonntag, 30. Juni sogar in den großen Schützenausmarsch eingebunden werden.

Von Hansestadt zu Hansestadt

Geplant sind Tagesstrecken von 40 bis 50 Kilometern bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von entspannten zehn Stundenkilometern, gemütliche Pausen sind eingeplant. Nach dem Start am frühen Morgen soll der HanseTreck am Vormittag jeweils von Ortskundigen abgeholt werden, die ihnen entgegenkommen und sie in die nächste Etappenstadt leiten, wo der HanseTreck in der Regel gegen 18 Uhr im Zentrum ankommen soll. In jedem Ort, in der der HanseTreck Station macht – das sind Alfeld, Hildesheim, Hannover, Celle, Uelzen, Lüneburg, Ratzeburg und schließlich Lübeck – ist eine Übernachtung geplant, zum Teil in Gemeinschaftsräumen oder Turnhallen. Auch hier ist Patricia Keil auf die Mithilfe der Ortskundigen angewiesen. „Wir suchen weiterhin noch Unterkünfte. In den Sommerferien werden tatsächlich viele Turnhallen und Gebäude renoviert und können somit nicht genutzt werden”, erzählt die Projektleiterin, die sich begeistert über so viele hilfsbereite Menschen und neue Kontakte zeigt. Dass die Einbecker Kulturschaffenden mit dem HanseTreck die Hanse nachhaltig vernetzen, hätten die meisten Städte sehr dankbar aufgenommen, erzählt Patricia Keil. Die Kulturschaffende, die in Hannoversch Münden geboren wurde, betreibt mit ihrem Mann in Einbeck unter anderem die TangoBrücke, ein Konzert- und Kulturhaus mit angeschlossener Pension für Fahrradfahrende und hat mit Bolle eine lokale Lastenrad-Initiative gegründet. Außerdem malt sie als Street-Art-Künstlerin Einbecker Themen an Hausfassaden. Durch ihre HanseTreck-Planung hat sie zahlreiche Inspirationen für weitere Projekte erhalten. „Das mit der Hanse ist ein Riesenfass, das da aufgeht. Zum Beispiel wünschen wir uns eine Hanse-Booking-Route, ein Netzwerk für Musiker, außerdem wünschen wir uns eine Fahrradkarte für den Hanseraum”, erzählt sie. Über ihr Themenjahr binden Patricia und Martin Keil die Bürgerinnen und Bürger aktiv in ihre Kulturarbeit ein, für 2025 steht bereits das „Jahr des Zirkus“ auf dem Programm. Eine erneute Durchführung des HanseTrecks ziehen Patricia und Martin Keil inzwischen in den kommenden Jahren durchaus in Betracht. „Es wird noch mal stattfinden, denn die Arbeit für 2024 hat viele Strukturen geschaffen und wir haben wundervolle Kontakte geknüpft, mit denen es gemeinsam weiter gehen kann“, meint Patricia Keil.

Die Radfahrerinnen und Radfahrer würden aus verschiedenen Gründen an ihrem HanseTreck teilnehmen, weiß Patricia Keil, der häufigste sei die Verkehrswende. Das Wetter spiele für den Treck keine Rolle: „Egal, was kommt, wir ziehen es durch.” Auch an den Rücktransport der Räder vom Zielort Lübeck hat das Organisationsteam gedacht: So ist geplant, alle Cargobikes in Lübeck in einen Container zu verladen und mit der DB-Cargo wieder nach Süden zu schicken. Die Keils, ihre Kinder und viele andere HanseTreck-Mitstreiter fahren standesgemäß mit dem Zug zurück. (JVE)

Foto: Privat

Hansebotschafter auf zwei Rädern
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